Die Bruderschaft der Woelfe
oben auf dem Turm bei den Augen des Tor Loman gestanden und hinunter in den Schnee, auf die Leiche seines Vaters, gestarrt hatte.
Er hatte das Bedürfnis verspürt, Raj Ahten am hellichten Tag zu hetzen, wenn die Sonne strahlend hell über ihm schien.
Damals hatte er den Beschluß gefaßt, auszuziehen und Raj Ahten zu töten, und er hatte die ganze Woche lang gegen diesen Drang angekämpft. Feuer konnte Zorn und Begierde entfachen, das wußte er, und es war der Vater der Verschlagenheit. Also hatte er gegen den Drang angekämpft und versucht, die Erlaubnis der Erde für diese Tat einzuholen.
Die Erde hatte ihm wieder und wieder davon abgeraten.
Und nun ermutigte sie ihn, nach Süden zu gehen und
anzugreifen. Gaborn wußte, woher seine Eingebung stammte.
War es sein Fehler, wenn Erde und Feuer dieses eine Mal dasselbe von ihm verlangten?
Er betrachtete Binnesman mit dem ruhigen Ausdruck der Gewißheit im Gesicht. »Der Befehl der Erde enthält keinen Zorn«, versuchte er zu erklären. »Ich habe nicht die Absicht, im Zorn anzugreifen. Im Gegenteil, ich empfinde den Ruf der Erde als einen Hilferuf. Greif an, bittet sie mich. Greife an, bevor es zu spät ist!«
»Also gut«, gab sich Binnesman zufrieden. »Ich glaube Euch.
Ich glaube Euch, daß die Erde Euch dies befohlen hat. Ich werde Euch also nur um eines bitten: verliert Euer Ziel nicht aus den Augen. Greift nur an, wenn die Erde es Euch befiehlt.«
»Ich bin der Erdkönig«, versprach Gaborn. »Ich werde tun, was sie verlangt.«
»Gut«, sagte Binnesman. »Mehr kann ich nicht erhoffen. Jetzt müßt Ihr Euch ausruhen, mein Lord.«
Gaborn war müde, entsetzlich müde. Er kam sich albern vor, wie er hier halb entblößt hockte. Nun streifte er seine Jacke ab und legte sich nackt auf den Erdboden.
Sie fühlte sich überraschend warm an, so als halte sie noch immer die Hitze des Tages gespeichert.
Binnesman schwenkte seinen Stecken, und das Erdreich legte sich wie eine wärmende Decke über Gaborn.
Gaborn lag mit geschlossenen Augen unter der Erdschicht und spürte, wie die Anspannung aus seinen Muskeln wich.
Zuerst hatte er Angst, denn er wußte nicht, wie er atmen sollte. Nachdem er jedoch eine volle Minute lang die Luft angehalten hatte, wurde ihm bewußt, daß er nicht zu atmen brauchte. Sogar seine Lungen ruhten, und er lag da, während der warme Humus in seine Ohren rieselte, auf Brust und Gesicht, und sich zwischen seine Finger drückte.
Augenblicke später war er fest eingeschlafen, und eine Zeitlang träumte er, er sei ein Hasenweibchen auf einer Straße außerhalb von Burg Sylvarresta, das rannte und rannte, um vor einer unbekannten Gefahr in den Schutz seines Baus zu flüchten. Es schlug Haken durch ein Brombeerdickicht und kroch in einen schönen, sicheren Bau, hinein in das Dunkel, aus dem ihm der durchdringende Geruch von Hasenjungen entgegenschlug.
Dort, ganz hinten im Bau fand es seine Jungen, vier kleine Hasen, gerade mal einen Tag alt.
Die Zitzen des Hasenweibchens waren schwer von Milch. Es legte sich auf die Seite, während es noch vor Anstrengung keuchte, und ließ die Jungen trinken, die fest gegen die Zitzen drückten, um die Milch herauszusaugen.
Während das Hasenweibchen keuchend dalag, hörte es
Zauberer Binnesman oben über dem Bau sprechen. Es legte seine langen Ohren zurück und lauschte dem Gespräch, derweil Pferde über den harten, verkrusteten Untergrund der Straße stapften. »Die Erde spricht zu uns. Sie spricht zu Euch und mir.«
»Was sagt sie?« hörte sich Gaborn fragen.
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Binnesman. »Aber auf diese Weise spricht sie gewöhnlich zu mir: in der besorgten Geschäftigkeit von Kaninchen und Mäusen, im wechselnden Flug eines Vogelschwarms, in den Schreien der Gänse. Jetzt flüstert sie auch dem Erdkönig etwas zu. Ihr wachst, Gaborn.
Eure Kräfte wachsen.«
Dann waren die Pferde vorüber, und das Hasenweibchen lag friedlich in seinem Bau. Es schloß, während die Jungen tranken, die Augen, legte die Ohren flach auf seinen Rücken und sorgte sich um einen Floh auf seiner Vorderpfote, der es beißen wollte.
Törichte Menschen, dachte das Hasenweibchen, die die
Stimme der Erde nicht hören.
In seinen Träumen glitt Gaborn über den Waldboden, als wäre er eine Schlange. Er spürte, wie die glatten, geschmeidigen Schuppen auf seinem Bauch ihm gestatteten, mühelos dahinzuschleichen, als wäre der Erdboden Eis.
Er ließ seine lange, gespaltene Zunge vorschnellen und
Weitere Kostenlose Bücher