Die Bruderschaft der Woelfe
kläglich kläfften und winselten.
Myrrima kauerte zusammengekrümmt auf dem Boden, die
Hände über den Kopf gelegt. Jeder Muskel ihres Körpers schien sich schmerzhaft zu verkrampfen.
»Zurück, mein Herr!« jammerte sie. »Bitte, geht zurück!«
Gaborn stand vierzig Schritte entfernt in der Tür, und sein Gesicht zeigte einen bestürzten Ausdruck. »Was ist?« fragte er.
»Was habe ich getan? Seid Ihr krank?«
»Bitte!« greinte Myrrima und sah sich nach einer
Fluchtmöglichkeit um. Doch handelte es sich bei diesem Stall um keinen gewöhnlichen. Hier waren Kraftpferde untergebracht, und die mußten geschützt werden. Der einzige Eingang war der durch die Vordertür, und die wurde von Gardisten bewacht. »Bleibt zurück! Ihr habt den Geruch des Todes an Euch.«
Gaborn starrte sie eine ganze Weile unverwandt an, dann lächelte er. »Ihr seid jetzt ein Wolflord?«
Myrrima nickte stumm, ihr Herz klopfte, und sie brachte kein Wort heraus. Gaborn griff in seine Tasche und zog ein einzelnes dunkelgrünes, spatenförmiges Blatt hervor. »Was Ihr riecht, ist Hundstod, weiter nichts. Er wächst unten auf der Straße.«
Jetzt, da er das Grauen in der Hand hielt, war der Gestank fünzigmal so stark, und das Entsetzen, das er bei Myrrima auslöste, glich einem glühenden Brandeisen, das sich in ihre Eingeweide brannte. Sie stieß einen Schrei aus und kehrte zitternd ihr Gesicht zur Wand.
»Bitte, mein Lord«, bettelte sie. »Bitte…« Sie konnte das Blatt sehen und wußte, Gaborns Fähigkeiten als Erdkönig erlaubten ihm, dessen Eigenschaften zu verstärken. Dieses einzelne Blatt war der Ursprung der grauenhaften Angst, die sie in diesem Augenblick überkam.
Doch nachdem sie eine Gabe des Geruchssinns von einem Hund übernommen hatte, war dieses Wissen bedeutungslos.
Das unaussprechliche Entsetzen, das dieser Geruch in einer Hundenase auslöste, ließ sich durch vernünftige Überlegung nicht bewältigen.
Der Erdkönig trat zurück und verließ den Stall. Nachdem er gegangen war, griff Myrrima sich sofort die zappelnden Welpen und schoß zur Tür hinaus.
Gaborn stand auf der anderen Straßenseite, wo er das
grauenhafte Blatt auf den Boden legte.
Er sagte: »Ich hatte gehofft, es würde Raj Ahten und seine Meuchelmörder vertreiben. Tut mir leid, daß ich nicht bedacht habe, wie es auf Euch oder Herzog Groverman wirken muß.«
»Ich fürchte, jetzt wird es Euch vor mir beschützen – und vor Eurer Gemahlin.«
Gaborn nickte. »Danke für den Hinweis. Ich werde dieses Gewand wegwerfen und mir den Geruch mit
Petersilienwasser von der Haut waschen, damit Ihr meine Gegenwart bei unserem nächsten Zusammentreffen nicht so unerträglich empfindet.«
»Das ehrt mich, Euer Hoheit«, erwiderte Myrrima, die sich endlich auf ihre guten Manieren besann.
»Alles kostet seinen Preis«, meinte Gaborn. »Mögen Euch Eure Gaben gute Dienste leisten.«
Myrrima nahm ihren Bogen, entfernte sich aus der
Gegenwart des Königs und erholte sich soweit, daß sie zwanzig Minuten später nicht mehr zitterte. Sie ging hinaus auf einen Anger hinter dem Großen Saal des Herzogs und fand den Übungsplatz der Bogenschützen.
Dort setzte sie die Welpen ab und ließ sie im Gras
herumtollen.
Nach Norden hin erhob sich ein steiler Erdwall, vor dem man einige Strohfiguren aufgestellt hatte.
Myrrima maß achtzig Schritte ab und betrachtete die
Strohfiguren. Sie besaß nur drei stumpfe Übungspfeile. Die übrigen waren scharfes Kriegsgerät.
Gedankenverloren bespannte Myrrima ihren Bogen. Sie hatte ihn erst zwei Tage zuvor gekauft. Ihr gefiel es, wie sich das geölte Holz anfühlte, so fest. Das war kein kraftloses, aus Ulme, Esche oder Goldregen gefertigtes Gerät. Es handelte sich um einen Kriegsbogen aus Eibenholz, der, wie Sir Hoswell Myrrima versicherte, über das rechte Verhältnis von Hartholz im Kern und weißem Astholz in seinem Rücken verfügte. Der Bogen war sechs Zoll größer als sie und schwer zu spannen.
Erst vor zwei Tagen hatte Hoswell ihr geraten, den Bogen anständig zu pflegen, damit sich das Holz nicht durch Feuchtigkeit verzog oder an Spannkraft verlor, weil die Sehne zu lange eingezogen blieb, ohne benutzt zu werden.
Er hatte ihr erklärt, wie man den Firnis tief in das Holz des Bogens einarbeitete, indem man ihn mit kreisenden Bewegungen erst im Uhrzeigersinn, dann gegen ihn einrieb. Er hatte ihr erklärt, wie man die Katzendarmsehnen richtig mit Bienenwachs einrieb.
Beim Bespannen betastete Myrrima die
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