Die Bruderschaft der Woelfe
Sehne, um sich zu vergewissern, ob sie tagsüber getrocknet war. Sie war um ihren Bogen besorgt, denn er war ins Wasser gefallen.
Jeder Bogen wurde an der Kerbe, wo die Bogensehne an den Flügeln befestigt wurde, mit einem Stück ausgehöhlten Kuhhorns versehen, das wiederum mit einer Mischung aus Birkenharz und Holzkohlenstaub verklebt wurde. Das Horn verhinderte, daß Feuchtigkeit in das Holz eindrang, wenn der Bogenflügel versehentlich den feuchten Erdboden berührte.
Sir Hoswell hatte Myrrima allerdings geraten, das Horn einbis zweimal im Jahr am Feuer zu trocknen und anschließend in Leinöl einzuweichen, damit es die Feuchtigkeit abwies. Als Vorsichtsmaßnahme hatte er ihr geraten, das Bogenende niemals auf dem Boden abzusetzen. Myrrima betastete jedes der Hörner, um sich zu vergewissern, daß sie ebenfalls trocken waren.
Nachdem der Bogen bespannt war, nahm Myrrima einen
Übungspfeil heraus und befühlte dessen glatten Schaft.
Die Lords aus Rofehavan benutzten für das Schleifen eines geraden Pfeils alle die gleiche Methode. Hoswell hatte ihr jedoch geraten, niemals einen Pfeil zu benutzen, der erst in den letzten Wochen hergestellt worden war. Die Pfeilmacher in Heredon hatten Tag und Nacht gearbeitet und dabei frisches Holz verwendet, das sich wahrscheinlich verziehen würde. Solche Pfeile flogen womöglich nicht gerade und verbogen sich beim Aufprall auf eine Rüstung eher, als daß sie diese durchbohrten.
Hoswell hatte ihr die unterschiedlichen Arten von
Pfeilspitzen erklärt und ihr außerdem geraten, nur solche zu benutzen, die einen bläulichen Glanz aufwiesen, denn diese seien aus dem härtesten Stahl gefertigt und waren in der Lage, einen Helm aus Indhopal zu durchbohren. Er hatte ihr ans Herz gelegt, jeden einzelnen Pfeil in ihrem Köcher vor der Schlacht zu spitzen, damit er an der Rüstung besseren Halt fand und sie leichter durchdrang.
Myrrima legte einen stumpfen Übungspfeil auf, zog die Sehne ganz bis an ihr Ohr zurück und hielt den Atem an, bevor sie losließ. Sie beobachtete, wo der Pfeil niederging – zu hoch und zu weit rechts –, dann versuchte sie einen zweiten Schuß und korrigierte dabei ihre Haltung, um besser zu treffen.
Der zweite Schuß war ebenfalls zu hoch und zu weit nach rechts gezielt, wenn auch nicht mehr ganz so hoch.
Myrrima biß sich auf die Lippe und stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Sie fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen.
Gestern noch hatte sie viel besser geschossen. Sie wünschte sich, Erin Connal wäre hier und würde ihr helfen.
Dann schoß sie den dritten Pfeil ab und traf die Strohfigur an der Schulter.
Sobald sie ihre Pfeile abgeschossen hatte, konnte sie nicht mehr sehen, wo sie landeten. Es gelang ihr, sie auf dem Erdwall am Geruch wiederzufinden, dazu einen weiteren, den jemand anderes verloren hatte. Ohne ihre Gabe des Geruchssinns hätte sie die Pfeile im Dunkeln nie entdeckt. Das Licht der Sterne war nicht hell genug, um die weißen Federn vom dunkleren Gras hervortreten zu lassen.
Auf dem Weg zurück hörte sie das Hornsignal zum
Aufsitzen für die Soldaten und blickte über die Burgmauern nach unten, hinüber zu den Stallungen. Sie hörte das Knarzen von Lederharnischen und die gedämpften Rufe, als die Männer ihren nervösen Kraftpferden befahlen, sich zu
beruhigen. Die Felder waren in Sternenlicht getaucht, in einen samtenen Glanz. Im Osten ging der Halbmond auf.
Sie wäre gern mit ihnen losgeritten.
Aus dem Dunkeln grüßte sie eine Stimme.
»Sehr gut. Ihr nehmt Euch Zeit zum Üben.« Sie sah sich um.
Sir Hoswell trat aus dem Schatten des Großen Saales des Herzogs und kam auf sie zu.
Plötzlich wurde Myrrima bewußt, daß sie mit ihm hier in der Dunkelheit allein war, wo niemand sie sehen konnte.
»Was tut Ihr hier?« erkundigte sie sich gebieterisch. Sie griff in ihren Köcher, zog einen Pfeil heraus, einen guten, geraden Schaft, dessen schwere Spitze leicht eine Rüstung durchbohren konnte. Sie legte den Pfeil blitzschnell ein und zog ihn ganz zurück, bereit, Sir Hoswell, wenn es sein mußte, niederzuschießen.
Der blieb stehen und musterte sie freimütig.
»Morgen ziehen wir in den Krieg, und ich bin zuerst und vor allem Bogenschütze«, meinte er unbekümmert.
»Ich bin zum Üben hergekommen. Ich wußte nicht, daß Ihr hier seid. Ich bin Euch nicht gefolgt.«
»Habt Ihr eine Erklärung dafür, weshalb ich Euch diese Worte nicht glaube?« fragte Myrrima.
»Weil ich, offen gesagt, Euer Vertrauen nicht
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