Die Bruderschaft des Feuers
überstieg. Seine blauen Augen strahlten nun feste Entschlossenheit aus. In ein paar Monaten war er zum Mann geworden.
»Du hältst mich also auch für einen Egoisten?«, fragte er ihn und fürchtete seine Antwort.
Gerardo lächelte ein wenig. »Sagen wir es so, Ihr habt die Neigung, die Probleme anderer nur auf Euch selbst bezogen zu sehen«, sagte er. »Aber jetzt lasst uns gehen, sonst seid Ihr noch schuld, wenn ich verhaftet werde.«
Die Studenten würden gleich um die Ecke der Ziegelmauer biegen, und dann würden sie sie sehen. Ohne zu zögern, hob Mondino sein Gewand etwas an und rannte durch das harte Gras davon. Gerardo folgte ihm in gemächlichem Trab. Als sie die Straße auf der anderen Seite des unbebauten Grundstücks erreicht hatten, hörten sie deutlich den grölenden Chor der Studenten, die um die Ecke kamen: » Gaudeamus igitur, juvenes dum sumus. « Lasst uns hier genießen, solange wir jung sind.
Sollte die vom Pater entfachte Feuersbrunst tatsächlich ausbrechen, würden viele dieser jungen Leute keine Möglichkeit mehr haben, ihre Jugend zu genießen. Falls niemand diesen wahnsinnigen Plan zum Scheitern brachte, würden sie sterben.
»Was tun wir jetzt?«, fragte Mondino. Er war immer noch nicht sicher, ob es richtig gewesen war zu fliehen.
»Wir gehen zu Euch nach Hause«, erwiderte Gerardo.
»Zu mir nach Hause? Aber wir haben keine Zeit. Wir müssen den Podestà unterrichten, den Ältestenrat …«
Plötzlich verstummte der Gesang der Studenten, und man hörte wilde Schreie. Sie hatten die Leichen entdeckt.
»In Kürze wird es hier von Sbirren nur so wimmeln«, sagte Gerardo. »Jetzt zählt am meisten, dass wir nicht verhaftet werden. Wenn wir in Sicherheit sind, werden wir entscheiden, was zu tun ist. Denkt daran, nur wir beide können dieses Massaker verhindern.«
Schnellen Schrittes machte er sich auf in Richtung Via San Vitale, und Mondino folgte ihm widerspruchslos. Gerardo hatte recht, sie mussten sich erst besprechen und das gemeinsame Vorgehen überdenken, bevor sie die öffentliche Ordnung informieren konnten, damit sie sich nicht in Widersprüche verstrickten. Aber es musste schnell gehen. Ihnen blieb nur noch der morgige Tag, wenn man den Worten des Capitano del Popolo glaubte. Danach würde sich Bologna in einen Haufen rauchender Ruinen verwandeln.
DREIZEHN
M ondino riss die Augen auf, und in der Dunkelheit, die ihn umgab, fand er bestätigt, was ihm durch den Kopf ging: Er war in einer Zelle eingesperrt. Aber wie war es dazu gekommen? Er erinnerte sich nur noch an eine lange Unterredung mit Gerardo in seinem Arbeitszimmer und danach an eine unsägliche Müdigkeit, die seinen Verstand umnebelt hatte. Hatte ihn jemand vergiftet?
Allerdings passte die weiche Matratze, auf der er lag, nicht zu seinen Vorstellungen von einem Kerker. Als er sich auf die andere Seite drehte, sah er einen schmalen Lichtstreif durch die geschlossenen Fensterläden und erkannte sein eigenes Schlafgemach. Doch als er bemerkte, dass das Gefängnis nur ein Traum gewesen war, konnte er nicht erleichtert aufseufzen. Im Gegenteil. Das bedeutete nur, dass alles noch vor ihm lag.
Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück. Der Angriff, die vier Toten auf dem freien Grundstück, die Flucht und die Heimkehr. Als sie dann in seinem Arbeitszimmer hastig ein Abendmahl eingenommen hatten, das ihnen Lorenza gebracht hatte, konnten sie sich nicht einigen, wie sie am besten weiter vorgingen. Mondino hatte darauf beharrt, alles der Obrigkeit zu erklären, während Gerardo einwandte, damit würden sie nur ihre Verhaftung erreichen. »Man würde uns kein Wort glauben«, hatte er gesagt. »Wer kann denn bestätigen, dass es sich wirklich so abgespielt hat?«
»Wie zum Teufel hätte es denn sonst sein sollen?«, hatte Mondino dagegengehalten.
»Den Hinterhalt für den Capitano del Popolo hätten wir auch mithilfe von gedungenen Mördern legen können. Und jetzt, wo alle tot sind, reden wir uns heraus, um uns zu entlasten.«
»Aber das ist doch vollkommen unsinnig! Warum hätten wir so etwas tun sollen?«
Gerardo breitete die Arme aus. »Ich sage bloß, dass man uns so lange einsperren wird, bis man geklärt hat, was wirklich passiert ist. Und hinter Gittern können wir rein gar nichts unternehmen, um die Feuersbrunst zu verhindern.«
Mondino teilte Gerardos Pessimismus hinsichtlich der öffentlichen Ordnung nicht. Gut, der Podestà war eine Sache, aber im Ältestenrat saßen ganz sicher nicht nur lauter
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