Die Bruderschaft des Feuers
herausgefunden, wie er gestorben ist? Also ich meine, ich sehe ja, dass er verbrannt ist, aber …«
Mondino schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nichts herausgefunden«, antwortete er, ohne sich mit nutzlosen Einzelheiten aufzuhalten. »Ich wollte soeben die Untersuchung für beendet erklären. Nun, wo du schon da bist, hilf mir doch bitte, die Leiche in den anderen Raum zu schaffen. Ich möchte nicht, dass meine Studenten sie sehen.«
»Warum nicht? Das wäre doch ein interessantes Thema für eine Unterrichtsstunde.«
»Vielleicht. Aber dieser arme Mann hat schon zu viel Schmach erdulden müssen, nicht zuletzt durch meine Untersuchung. Jetzt hat er es verdient, nur noch in Frieden zu ruhen.«
Gerardo nickte, trat hinter den Stuhl und zog die Lehne so zu sich heran, dass Mondino die Füße des Stuhls packen konnte. Sie hoben ihn mit Leichtigkeit hoch, denn die kümmerlichen Überreste des Körpers, die am Leder klebten, wogen kaum etwas, und trugen ihn durch das Loch in der Mauer in den im Bau befindlichen Hörsaal. Dort setzten sie ihre Last auf dem unebenen Boden aus festgestampfter Erde neben einem Stapel Ziegelsteine ab, dann fragte Gerardo: »Was gedenkt Ihr jetzt zu tun?«
»Wie meinst du das?«
»Nun ja, habt Ihr schon eine Theorie oder nicht?«
»Keine Theorie. Ich kann nur bestätigen, dass der Tote wirklich Bertrando Lamberti ist und dass er bei lebendigem Leibe verbrannt ist. Was tust du da?«
»Nichts«, erwiderte Gerardo und versuchte, seinen deutlichen Ekel zu verbergen. Er hatte eine Hand ausgestreckt, als wolle er etwas vom unversehrt gebliebenen Arm des Toten entfernen, aber dann hatte er sie zurückgezogen und nicht gewagt, ihn zu berühren. »Da klebt ein Stückchen Faden an der Haut, aber ich nehme an, dass es kaum einen Unterschied macht, ob man ihn fortnimmt oder dort lässt.«
»Ein Faden?«, fragte Mondino und trat näher an den Stuhl heran. Tatsächlich schaute unter einem Hautlappen, der weniger verbrannt schien als der Rest, ein schwarzer Faden hervor, der merkwürdig eingerollt war. Mondino versuchte vergeblich, ihn mit dem Fingernagel abzunehmen. Er zog die Lupe hervor und beugte sich hinunter, um besser sehen zu können.
»Das ist kein Faden«, sagte er und wirkte plötzlich ganz aufgeregt. Er ging in den großen Hörsaal zurück, um das Chirurgenmesser zu holen. Dann ritzte er vorsichtig die halbverbrannte Haut ein, die hart wie eine Schwarte geworden war.
»Das sind Überreste einer Tätowierung«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Gerardo. »Wenn sie noch nicht allzu alt ist, hat sich höchstwahrscheinlich ein Teil der Zeichnung unter der Haut erhalten.«
Mit dem kurzen Messer trug er vorsichtig die obere Epithelschicht ab, genau wie vorhin am Handgelenk, als er das Muttermal freigelegt hatte, und konnte nun das merkwürdigste Bild bewundern, das er jemals gesehen hatte.
Ein geflügeltes Ungeheuer mit einem Löwenhaupt, um dessen Leib sich eine Schlange gewickelt hatte. Der Kopf der Schlange lag auf dem des Löwen. Es ließen sich noch andere Einzelheiten erahnen, doch das Feuer hatte sie vernichtet.
»Sagt Euch das etwas?«, fragte Gerardo.
»Vielleicht ist es ein Erkennungszeichen«, antwortete Mondino wenig überzeugt. Tätowierungen waren bei Soldaten und Seeleuten beliebt, mit Sicherheit nicht unter den ehrwürdigen Mitgliedern einer so bedeutenden Zunft wie der der Seidenhändler, die besondere Privilegien genoss und der sogar Edelleute angehörten.
»Das glaube ich nicht«, sagte Gerardo, dessen Gedanken wohl in dieselbe Richtung gingen. »Merkwürdig, dass die Familie dies nicht erwähnt hat.«
»Das stimmt«, antwortete Mondino und richtete sich wieder auf.
Er fügte nichts mehr hinzu, doch ihm gingen tausend Gedanken durch den Kopf. Warum hatte Eleonora eine solche Besonderheit nicht erwähnt, mit der man die Identität ihres Schwiegervaters wesentlich besser und sicherer als anhand eines einfachen Muttermals am Handgelenk bestimmen konnte? Allerdings befand sich die Tätowierung am Oberarm, in Höhe des Deltoideus, und um von seiner Existenz zu wissen, hätte Eleonora ihren Schwiegervater ohne Hemd sehen müssen, was ein derart unkeuscher Gedanke war, dass Mondino ihn eiligst von sich wies. Der einzige Mensch, der von dieser Tätowierung hätte wissen können, war Bertrandos Ehefrau, und die war seit zehn Jahren tot.
Er sah wieder zu Gerardo hinüber. »Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du gekommen bist.«
»Um mich Euch zur Verfügung zu
Weitere Kostenlose Bücher