Die Bruderschaft des Feuers
ihn mit Zorn.
Unter dem Torbogen der Porta Nova standen sechs oder sieben Männer, die sich vor dem Schnee dorthin geflüchtet hatten, dicht aneinandergedrängt, um sich gegenseitig zu wärmen. Alle starrten gebannt in den Feuerschein, der sich über dem Pratelloviertel erhob. Das mussten die Brandwachen des Viertels sein, die sofort Alarm schlagen würden, sobald das Feuer sich auch auf dieses Gebiet auszudehnen drohte. Der Pater gesellte sich zu ihnen und näherte sich dem Mann, der der Anführer der Gruppe zu sein schien, einem beleibten Mann mit hoher Stirn und gelocktem Haar, der am linken Arm eine schwarz-weiße Binde mit den Farben des Viertels Porta Stiera trug.
Als er den Mann erreicht hatte, redete der Pater leise auf ihn ein: »Seht unauffällig über meine Schulter. Etwa dreißig Schritte hinter mir müsst Ihr einen jungen Mann erkennen, der aus derselben Richtung kommt wie ich und versucht, unbemerkt zu bleiben.«
Der Mann schaute wie zufällig auf, starrte lange in die Dunkelheit und schüttelte dann den Kopf. »Ich sehe niemanden.«
»Dann hat er sich wohl verborgen«, sagte der Pater enttäuscht. Trotz des Lichtscheins von den Bränden lagen die Straßen beinahe im Dunkeln, und es war bestimmt nicht leicht, in dem Schneetreiben einen Schatten auszumachen, der zwischen Hauswänden und Säulen entlangstrich, noch dazu, wo der Schnee weiter beständig fiel.
»Ein Dieb?«, fragte der Mann mit dem gelockten Haar. »Wenn es einer dieser verabscheuenswerten Gesellen ist, die das Unglück anderer Leute ausnutzen, um deren Häuser auszuplündern, werde ich …«
»Schlimmer, weit schlimmer«, unterbrach ihn der Pater eindringlich flüsternd. »Er ist ein Brandstifter, einer von denen, die in der Stadt das Feuer gelegt haben. Er weiß, dass ich ihn entdeckt habe, und verfolgt mich, um mich zu töten.« Ruckartig versteifte sich der Mann, und der Pater konnte beinahe körperlich seine Anstrengung wahrnehmen, mit der er die Dunkelheit zu erforschen suchte. »Sobald ich mich von Euch entferne, wird er sich bewegen«, erklärte er. »So könnt Ihr ihn entdecken.«
»Das ist gefährlich«, erwiderte der Mann. »Ich meine, für Euch. Wenn er uns entkommen sollte …«
Der Pater schnitt ihm mit einer entschiedenen Geste das Wort ab. »Anders wird man ihn nicht aus seiner Deckung locken. Aber er darf Euch nicht entkommen. Denkt daran, was er getan hat und was er noch anstellen könnte.«
Der Mann starrte ihn mit wild funkelnden Augen an. »Wir werden ihn kriegen, Vater«, sagte er. »Er wird teuer dafür bezahlen.«
Der Pater drückte den Arm des Mannes und nickte stumm. Dann entfernte er sich von der Gruppe, trat aus dem Schutz des Torbogens heraus und nahm seinen Weg durch den Schnee wieder auf. Vielleicht würden diese Männer Gerardo da Castelbretone töten, doch er konnte dessen nicht sicher sein. Auf jeden Fall blieb ihm nun genügend Zeit, um den Brand zu legen. Was danach geschah, lag ganz allein in Mithras’ Hand.
Als er hörte, wie jemand draußen laut nach Gabardino rief, ließ Azzone Lamberti die Maurerkelle auf den kleinen Haufen Mörtel fallen, der übrig geblieben war, und packte sein Schwert. Er war genau zur rechten Zeit fertig geworden.
Hastige Schritte näherten sich, und ein Benediktinermönch stürzte durch den Mauerdurchbruch in den Raum. Im Schein der Kerze auf dem Holzsockel erkannte Azzone Mondino. Er konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, warum zum Henker er sich so verkleidet hatte, doch diese Kutte würde ihn bestimmt nicht retten.
»Ich hatte nicht mehr gehofft, hier noch auf Euch zu treffen«, sagte er und stellte sich ihm in den Weg. »Jetzt wird meine Rache vollkommen sein.«
»Wo ist mein Sohn?«, fragte der Arzt. »Wenn Ihr ihm etwas angetan habt …«
»Was werdet Ihr dann mit mir anstellen?«, verhöhnte ihn Azzone. »Ihr seid unbewaffnet, und hier sind nur wir beide. Oder besser gesagt, wir drei«, fügte er hinzu, während er ihm fest in die Augen sah. »Auch Euer Sohn ist hier im Raum. Nun ratet einmal, wo?«
Mondino blickte sich suchend um, bis seine Augen an der frisch zugemauerten Nische hängenblieben. Doch anstatt sich zu wundern, in Verzweiflung auszubrechen oder Erklärungen zu verlangen, bückte er sich blitzschnell, nahm die Schaufel, mit der sich schon Gabardino gewehrt hatte, und schmetterte sie gegen die Mauer, ehe der überraschte Azzone einschreiten konnte.
Lamberti stürzte sich mit erhobenem Schwert auf den Arzt, doch da erwartete ihn eine
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