Die Bruderschaft des Feuers
versuchte, mit den gefesselten Füßen gegen die Steine zu treten. Es gelang ihm zwar nicht, aber der an dem Balken aufgehängte Kragen riss ein wenig ein. Azzone stand auf, schnitt noch ein Stück Seil von der Rolle ab, legte es ihm um den Hals und machte es an dem Balken fest, um weitere Probleme zu vermeiden.
Befriedigt nahm er dann wieder die Kelle zur Hand, verteilte eine Schicht Mörtel und legte einen weiteren Ziegelstein darauf. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gut gefühlt.
SECHZEHN
D ieser Tag schien kein Ende mehr zu nehmen. Beim Verlassen des geheimen Tempels hatte sich Mondino ein schrecklicher Anblick geboten. Die Straße war voller Menschen, die versuchten, so viel wie möglich von ihrer Habe zu retten und dabei gleichzeitig der Brände Herr zu werden. Die Häscher unter dem Befehl des Kommandanten unternahmen ihrerseits alles, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und zu verhindern, dass die Verletzten, die man zum Schutz vor dem Schnee unter die Bogengänge gebracht hatte, ausgeraubt oder, schlimmer noch, zu Tode getrampelt wurden.
Während Gerardo sich mit einer Handvoll Häscher zum nächstgelegenen Brand im Pratelloviertel aufgemacht hatte, um dort bei den Löscharbeiten zu helfen, hatte sich Mondino sofort zur Versorgung der Verwundeten zur Verfügung gestellt.
Unter seiner Anleitung hatten die Sbirren im Haus von Fedrigo Guidi eine Art Feldlazarett aufgebaut. Außerdem hatten sie sich von den Einwohnern des Viertels die Namen von Barbieren, Apothekern und Wundärzten geben lassen und hatten sie zur Unterstützung herbeigeholt. So hatte Mondino sehr bald eine kleine Gruppe fähiger Männer unter seinem Kommando versammelt, die mit der Versorgung von Wunden vertraut waren. Ein Barbier war besonders geschickt im Richten von Brüchen, ein Wundarzt dagegen musste streng überwacht werden, weil er jede Verletzung mit einem Aderlass kurieren wollte, doch insgesamt schlugen sie sich recht wacker. Viele Patienten waren nicht besonders schwer verletzt, und oft mussten sie sich nur ein wenig am großen Kamin in dem zum Lazarett umgewandelten Wohnzimmer aufwärmen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Mondino hoffte, dass seine jüngeren Söhne inzwischen mit Pietro auf dem Land in Sicherheit waren, aber er sorgte sich sehr um Gabardino und Lorenza. Er bezweifelte, dass sein ältester Sohn in einer solchen Lage zu Hause blieb und abwartete, bis der Brand sich gelegt hätte. Er hoffte aber, dass er sich nicht in zu große Gefahr begab.
Es bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass Gabardino von den Bränden überrascht worden war, während er in der Medizinschule auf den Wänden die Stellen einzeichnete, wo sie durchbrochen werden sollten, und ihm dann der Rückweg abgeschnitten war.
Während er Schnitt- und Schürfwunden desinfizierte und den verblüfften Wundärzten und Knochenflickern zeigte, wie man mit einer Nadel und einem Seidenfaden die Wunden nähen konnte, anstatt sie mit einem glühenden Eisen auszubrennen, eilten seine Gedanken immer wieder zu seiner Familie. Sobald die Lage sich durch die Ankunft zweier Ärzte von der Universität und mehrerer Medizinstudenten etwas gebessert hatte, übergab er die Leitung dieses improvisierten Hospitals an seine Kollegen und eilte fort.
Zunächst wollte er in der Medizinschule nachsehen, weil sie am nächsten lag. Dann erst würde er nach Hause gehen. Er lief hastig vorwärts, doch als er an der alten Kirche San Siro vorbeikam, wo Mönche die Verwundeten versorgten, erkannten einige Bewohner seinen roten Talar und zogen ihn unter wortreichem Flehen, ihren Angehörigen zu helfen, in die Kirche. Mondino wusste nicht, wie er es ihnen verweigern sollte, obwohl er immer besorgter wurde. Er war ja durchaus bereit, sich die ganze Nacht um die Bedürftigen zu kümmern, doch zunächst wollte er sich vergewissern, dass es seinem Sohn gut ging.
Als er einem Mönch sein Problem erklärte, hatte der schnell eine Lösung parat. Er führte ihn in den Teil der Kirche, der den Geistlichen vorbehalten war, öffnete einen großen Schrank und zog ein Ordensgewand hervor, das einem kürzlich verstorbenen Mitbruder gehört hatte.
»Lasst Euren Ärztetalar hier«, sagte er, »und zieht stattdessen dies hier über.«
Mondino dankte ihm und schlüpfte in das schwarze Skapulier mit der schwarzen Kukulle. Er musste auch seinen Mantel dort lassen, denn kein Benediktiner trug einen mit Eichhörnchenfell verbrämten Umhang. Dann verließ er in aller Eile die Kirche und
Weitere Kostenlose Bücher