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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Samuele gegenüber.
    »Nun?«
    Der Mönch überschüttete ihn mit einem Wortschwall. Er erzählte ihm von dem Geheimnis, das Pater Venanzio während der Beichte erfahren hatte, von dem Schreiben mit der Verabredung im Pratelloviertel und von dem Hinweis auf einen Brand, bei dem Tausende sterben sollten.
    »Wo ist dieses Schreiben?«, fragte Visdomini sofort. »Habt Ihr es bei Euch?«
    Samuele schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Ich habe es unter seinen Sachen gesucht, aber es war nicht dort. Vielleicht trug er es ja bei sich, oder er hat es vernichtet.«
    »Unter seinen Sachen? Der Pater Guardian hat mir gesagt, dass ihr keine persönlichen Gegenstände besitzt.«
    »Das stimmt schon, aber nicht ganz«, erklärte Samuele. »Normalerweise lohnt es kaum der Erwähnung, aber ein wenig besitzen wir schon. Einen Ersatzriemen für die Sandalen, ein Stückchen Schnur, manchmal ein Paar saubere Unterhosen … Also«, fuhr er nach einer Pause fort, »viele von uns bewahren die persönlichen Dinge in einer Truhe neben ihrem Strohlager im gemeinsamen Schlafsaal auf. Ich habe in Venanzios Truhe gesucht, aber da war nichts.«
    Das entsprach nicht der Wahrheit, doch ehe er dem Capitano den seltsamen Brief übergab, den er gefunden hatte, wollte er sichergehen, dass er ihm auch trauen konnte.
    »Ich verstehe«, sagte der Capitano del Popolo. Er wirkte enttäuscht. »Danke, dass Ihr mir anvertraut habt, was Ihr wisst, Bruder.«
    Er wollte sich schon abwenden, aber Samuele hielt ihn an einem Ärmel zurück. »Wartet. Wo ist Venanzios Leiche?«
    »Ich habe ihn vorläufig in mein Haus bringen lassen, bis ich wissen würde, wer er ist.«
    »Ich will ihn sehen«, sagte Samuele entschlossen.
    »Warum?«
    »Um sicher zu sein, dass er es auch wirklich ist.«
    Der Capitano schüttelte den Kopf. »Der Pater Guardian hat gesagt, dass er so bald wie möglich jemanden schicken wird.«
    »Ihr wisst genau, dass er es nicht tun wird. Glaubt Ihr wirklich, dass er das Kloster dem Gespött der Leute aussetzen möchte, indem er einen seiner Mönche schickt, der öffentlich erklärt, dass der Bruder, den man nackt bei den Hurenhäusern aufgefunden hat, dem Orden des heiligen Franziskus angehörte? Er wird warten, bis Ihr die Geduld verliert und ihm die Leiche ohne großes Aufsehen vorbeibringt.«
    Visdomini starrte ihn durchdringend an. »Und Ihr habt keine Angst vor dem Skandal?«
    »Doch«, gab Samuele zu. »Deshalb werde ich seine Identität nicht öffentlich vor Amtspersonen bezeugen. Ich will bloß die Leiche sehen. Wenn es sich wirklich um Venanzio handelt, werde ich es Euch sagen, dann könntet Ihr ihn sofort ins Kloster schaffen lassen und Euch so überflüssige Wartezeit ersparen.«
    Der Capitano del Popolo musste nicht lange nachdenken. »Einverstanden«, sagte er. »Kommt mit uns.«
    Sie gingen zusammen zu dem Bogen, unter dem die beiden Häscher und der junge Mann mit den hellblauen Augen warteten, den Samuele zu kennen meinte. Unter anderen Umständen hätte er ihn sich bloß ein wenig genauer ansehen müssen, um sich zu erinnern, wo er ihn schon einmal gesehen hatte. Doch in seiner jetzigen Verfassung war es schon ein Wunder, dass er sich erinnerte, wie man einen Fuß vor den anderen setzte, während er krampfhaft die Tränen zurückhielt und sich gebetshaft vorsagte, dass es sich genauso gut um einen Irrtum handeln konnte, dass der im Pratelloviertel gefundene Tote auch jemand anders sein könnte.
    Der Capitano erklärte dem jungen Mann, dass er wegen einer wichtigen Angelegenheit kurz in seinem Palazzo vorbeischauen müsste und danach mit ihm kommen würde. Der nickte, und so nahmen sie unter einem Himmel, der so grau war wie geschmolzenes Blei, den Weg zur Piazza Maggiore.
    Als Samuele überall die schweren Umhänge sah, die Cotten oder auch die Jutesäcke, die die Ärmeren über ihren Gewändern um sich wickelten, um sich gegen die Kälte zu schützen, verspürte er einen leichten Anflug von Stolz. Ein Mönch ging sommers wie winters gleich gekleidet und fürchtete weder Hitze noch Kälte oder Entbehrungen. Als er die niederen Weihen empfing, hatte man ihm gesagt, ein Mönch sei wie ein Soldat und der Glaube ein Krieg. Mit jedem Tag wurde ihm bewusster, wie sehr dieser Satz der Wahrheit entsprach. Doch den Kampf, den er ausfocht, vor allem gegen sich selbst, hatten seine Oberen damit nicht gemeint.
    Als sie die Piazza erreichten, erschien aus einer Seitengasse in der Nähe des Croce del Mercato eine junge Frau in einem schlichten

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