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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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sich am Ende der Gasse in der Dunkelheit zu verlieren. Direkt an der Mauer befand sich ein kleiner sauberer Platz mit einem grob gezimmerten Kreuz und ein paar Blumen. Das musste die Stelle sein, an der man die Leiche gefunden hatte. Samuele war überrascht von dieser barmherzigen Geste und fragte sich, wer das Kreuz und die Blumen wohl dort hingelegt hatte. Dann starrte er wieder die blonde Frau an. In dieser Gasse war ihre Tür die einzige, die offen stand und über der ein Licht brannte. Wenn er überhaupt irgendwo Auskünfte bekommen konnte, dann dort.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, atmete er tief durch und trat ein, obwohl er genau wusste, was dies für ein Haus war.
    Hinter der Tür hatte er duftenden Weihrauch erwartet, halbnackte Frauen, die auf Betten lagerten und zu obszönen Handlungen bereit waren. Aber nichts dergleichen bekam er zu sehen. Sondern nur drei Frauen, die auf Strohschemeln um eine Feuerstelle aus Ziegelsteinen in der Mitte des Raumes hockten, um sich Hände und Füße zu wärmen. An einem Haken über dem Feuer kochte ein Topf mit Kohlsuppe.
    Dies war ein Bordell für die Armen und unterschied sich nicht sehr von dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Der Gedanke erleichterte ihn und verlieh ihm den Mut weiterzugehen.
    Zum Glück waren die Frauen bekleidet. Alle drei wandten sich zu ihm um, grinsten anzüglich, doch ihr Lächeln verschwand sogleich wieder. Samuele dachte zunächst, es geschähe vielleicht aus Respekt vor seinem Mönchsgewand, doch die älteste der drei, eine Brünette mit einem ausladenden Busen, brachte ihn mit einem Satz zum Erstarren: »Wir haben hier keine kleinen Jungen.«
    Samuele blieb wie versteinert auf der Schwelle stehen. Sie hatten ihn mit einem Blick durchschaut. Was für ein Glück, dass die Dirnen nicht im Dienst der Inquisition standen.
    »Ich suche nicht nach kleinen Jungen und bin auch nicht hier, um zu sündigen«, sagte er und versuchte seiner Stimme eine gewisse Festigkeit zu verleihen.
    »Was willst du dann?«, fragte die Frau. »Bist du gekommen, um uns zu erlösen?«
    Alle drei brachen in Gelächter aus. Merkwürdigerweise beruhigte ihn dieses Lachen beinahe.
    »Ich war ein Freund des Priesters, der gestern hier in der Nähe tot aufgefunden wurde«, sagte er, »und ich wollte …«
    »War er dein Geliebter?«, fragte die rechts von ihm, eine etwa zwanzigjährige dunkelhäutige Frau mit durchdringenden Augen.
    Samuele ließ sich Zeit mit der Antwort. Seine Vernunft schärfte ihm ein, nichts einzugestehen, denn damit würde er sich in ihre Hände begeben. Doch andererseits sagte sein Instinkt ihm, er sollte ihnen vertrauen. Er war ein Mönch in einem Bordell. Damit hatte er sich ihnen schon ausgeliefert. Er fühlte ein starkes Bedürfnis, sich und seine Gefühle jemandem anzuvertrauen, und das konnte er nicht bei einem Beichtvater tun.
    Eine Versammlung von Dirnen, die ihn ja schon als Sodomiten entlarvt hatten, war besser als nichts.
    »Er war der Mann, den ich geliebt habe«, antwortete er, während die Tränen, die er in Anwesenheit des Capitano del Popolo noch zurückgehalten hatte, ihm jetzt aus den Augen schossen. »Er hieß Venanzio.«

    »Wie konntest du nur Mondino gestatten, mein Haus zu betreten?«, fragte Azzone Lamberti seine Ehefrau leise in drohendem Ton.
    Sie befanden sich in Bertrandos Arbeitszimmer, das vom Licht dreier Öllampen erhellt wurde. Bei seiner Rückkehr hatte Azzone sie dort vorgefunden, während sie die Reinigung des Zimmers beaufsichtigte. Er war vorher irgendwo mit seinen Freunden trinken gewesen, anstatt strenge Trauer zu halten, wie es ihm der Tod des Vaters eigentlich geboten hätte. Er hatte die Dienerschaft weggeschickt, und sie waren allein in dem Zimmer geblieben, das jetzt, ohne den großen Lehnstuhl des Schwiegervaters, zu leer wirkte.
    »Ich konnte mich dem Befehl des Podestà nicht widersetzen«, antwortete Eleonora erschrocken, aber dennoch mit fester Stimme. »Mondino selbst wollte gar nicht hereinkommen, doch Taverna Tolomei hat ihn dazu gezwungen.«
    »Und du hast zugelassen, dass er die Leiche meines Vaters wegbringt«, fuhr Azzone fort, als hätte sie nichts gesagt. »Ein Bote kommt zu mir nach San Giovanni mit der Botschaft, dass mein Vater tot ist. Ich lasse alles stehen und liegen, eile nach Hause, riskiere bei der Hetze sogar, dass mein Pferd unter mir wegstirbt, und als ich ankomme, kann ich mich nicht einmal von meinem Vater verabschieden, weil Mondino de’ Liuzzi ihn fortgeschafft hat!«
    Er

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