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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Moment für eine Auseinandersetzung. »Geht es wirklich nicht bis heute Abend?«, fragte er so freundlich wie möglich.
    Der Schlosser seufzte und schaute zur Sonne, die schon hinter den Häusern von San Felice untergehen wollte, um dem viel zu früh hereinbrechenden Winterabend Platz zu machen. Dann betrachtete er das große ausgebaute Schloss.
    »Es geht«, sagte er dann zögerlich. »Aber ich werde bis zur Vesper arbeiten müssen, um Euch zufriedenzustellen, und dadurch nicht mit meiner Familie zu Abend essen können. Das wird Euch drei Denare mehr kosten.«
    »Ich gebe Euch vier, wenn Ihr es früher schafft«, erwiderte Mondino. »Dann können wir beide zu Hause sein, bevor es völlig dunkel wird. Geht jetzt, ich werde hierbleiben und auf Euch warten.«
    Der Mann entfernte sich mit seiner Werkzeugtasche, die er über der Schulter trug, und dem Schloss in der Hand. Mondino betrat seinen verlassenen Hörsaal. Er war froh, dass er wenigstens für den Augenblick die Anklage abgewendet hatte, und während er auf und ab lief, zwang er sich, nicht an den Hirsch zu denken, der zwar den Hunden entkommen konnte, aber dann tief im Abgrund zerschellt war.

    Samuele war mit einem ebenso ausgeklügelten wie tollkühnen Plan ins Kloster zurückgekehrt. Sollte jemand seine Abwesenheit während der Vespermesse bemerken, und das ausgerechnet an dem Tag, an dem man von Venanzios Tod erfahren hatte, konnte er dafür in den Verliesen des Klosters landen. Der Pater Guardian würde für jeden weiteren Bruch der Ordensdisziplin eine exemplarische Strafe fordern. Und die Gerüchte darüber, welcher Art die Beziehung zwischen Samuele und Venanzio gewesen war, würden ihn nicht gerade milder stimmen.
    Aber für sein Vorhaben musste Samuele frei sein. Nur dieses Wissen gab ihm die Kraft, seine täglichen Pflichten zu erfüllen, als wäre nichts geschehen, und gleichmütig zuzuhören, wie über Venanzio geklatscht wurde, dessen Tod Tagesgespräch zu sein schien. So bald wie möglich täuschte er Bauchgrimmen vor und verschwand in Richtung Latrine. Niemand schöpfte Verdacht.
    Im Garten lief er an der Latrinenhütte vorbei, betrat den kleinen Friedhof auf der Rückseite der Kirche, und erst als er dabei war, über die Mauer zu klettern, zögerte er kurz. Wollte er das wirklich tun?
    Das fragte er sich ganz aufrichtig und zum wiederholten Mal, aber die Antwort blieb die gleiche. Im Grunde folgte er keiner frei getroffenen Entscheidung, sondern einer Notwendigkeit, die ihm auf der Seele brannte und sich weder mit einem Gebet noch mit seinen täglichen Pflichten besänftigen ließ.
    Er musste herausfinden, was geschehen war.
    Oder es zumindest versuchen.
    Entschlossen kletterte er an einer Stelle über die Mauer, wo er am meisten vor den Blicken der Vorübergehenden geschützt war. Als er auf dem gepflasterten Platz vor der Porta Nova stand, ging er sofort in Richtung Pratelloviertel weiter.
    In den drei Jahren im Kloster hatte er es nie ohne Erlaubnis verlassen, und jetzt hatte er an einem Tag gleich zwei Mal gegen die Regeln verstoßen. Er schaute auf zu dem Stück Himmel, das sich zwischen den Häusern zeigte. Obwohl die Glocken noch nicht zur Non geläutet hatten, war es beinahe dunkel. Der Dezember war der dunkelste und kälteste Monat im Jahr, das Symbol für die Finsternis, in die die Welt ohne Gottes Gnade stürzen würde.
    Nach der Geburt des Erlösers in der Nacht des 24. Dezember wurden die Tage dann langsam wieder länger. Auch die Kälte ging allmählich zurück, bis zum jubelnden Ausbruch des Frühlings mit all seiner Farbenpracht, der Jahreszeit, in der man das Mysterium um den Tod und die Wiederauferstehung Christi feierte.
    Dies alles hatte er im Kloster gelernt und durch weitere Studien sein Wissen vertieft, sobald er lesen und schreiben gelernt hatte. Das Studium hatte ihm gestattet, die Harmonie zu erahnen, die das Universum beherrschte, und so seinen Glauben gestärkt.
    Man brauchte schon einen starken Glauben, um als Mönch in einem dauerhaften Zustand der Todsünde zu leben.
    Als er die ersten Häuser der Via Pratello erreichte, zögerte Samuele. Die Straße war lang und schmal, sie lag da wie ein Fluss aus trockenem Schlamm, der unter seinen Sandalen knirschte. An den Türen der Häuser in der Nähe der Via Pietralata wurden die ersten Straßenlampen angezündet. Sie beleuchteten einige in bodenlange Wollmäntel gehüllte Frauen, die sie vor möglichen Kunden öffneten und Dinge zeigten, die Samuele gar nicht sehen

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