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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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seine Handgelenke und durchschnitt das Gedärm, mit dem sie gefesselt waren.
    »Nun bist du frei von den schmutzigen Banden der Welt«, sagte der Pater, und es gelang ihm, seinem üblichen rauen Flüstern einen feierlichen Tonfall zu verleihen. »Tritt näher.«
    Die Krypta war von Dutzenden Kerzen erleuchtet, ein deutlicher Gegensatz zu der Dunkelheit, aus der der Adept kam. Der Mann schritt zwischen den beiden Zurvànstatuen hindurch, die er aus dem Augenwinkel betrachtete und dabei versuchte, keine Angst zu zeigen. Doch Giovanni war überzeugt, dass er sich fürchtete. Als er selbst zum ersten Mal dieses Ungeheuer mit dem Löwenkopf und den Flügeln erblickt hatte, um dessen Leib sich eine Schlange wand, hätte er sich beinahe eingenässt. Später hatte er sich daran gewöhnt, und jetzt trug er sein Abbild sogar zum Zeichen seines Ranges auf dem Arm eintätowiert, aber diesen ersten Eindruck hatte er nie vergessen.
    Er dachte an diese schwierigen, aber auch wunderschönen Momente zurück, doch bei dem Gedanken an das, was die Zukunft bringen würde, verspürte er einen Stich der Angst. Er betrachtete sich als privilegiert, weil er zu den ersten Anhängern gehörte, selbst wenn er nicht den höchsten Rang innehatte. Und er war einer der beiden einzigen Menschen, die die wahre Identität des Paters kannten, da sie ihn bereits vor seiner Verwandlung kennengelernt hatten. Er wusste, dass der Pater nicht aus Rom gesandt war; diese Geschichte war erfunden worden, weil viele Anhänger ihn sonst nicht als Anführer akzeptiert hätten. Aber dennoch hatte er nie an seiner Machtstellung gezweifelt.
    Die Entdeckung des Mithraskultes hatte seinem Leben einen Sinn verliehen. Es waren spannende Jahre voller Enthusiasmus gewesen. Die Gemeinde war klein, hielt aber gerade aus diesem Grund fest zusammen. Der Pater hatte sie anfänglich einzeln angesprochen und ihnen gesagt, dass sie die Lehre nicht nach seinen Worten beurteilen sollten, weil er nicht das Geheimnis enthüllen könne, sondern nur der Wächter einer Wahrheit sei, die sich jedem durch den direkten Kontakt zu Gott persönlich offenbarte. Giovanni hatte vom heiligen  Haoma -Saft getrunken und war zunächst über die Wirkung erschrocken gewesen. Doch später hatte sich dieser Schrecken durch die genauen Erklärungen des Paters in Begeisterung verwandelt. Er hatte wirklich an die Möglichkeit geglaubt, eine bessere Welt zu errichten.
    Dann hatte ihn der Pater in einem Moment des Zornes vor den anderen Gläubigen geohrfeigt. Nach Beendigung der Zeremonie war Giovanni in das Allerheiligste des Tempels gebeten worden, wo ihn der Pater mit unverhülltem Gesicht erwartete.
    »Jetzt weißt du, dass ich bloß ein Mensch voller menschlicher Schwächen bin«, hatte er zu ihm gesagt, ohne zu flüstern, wie er es sonst bei den Versammlungen tat. »Ist dein Glaube jetzt geschwächt?«
    »Nein, Pater, er ist so fest wie zuvor«, hatte Giovanni geantwortet. »Euer Zorn ist wie alles, was Ihr tut, Gottes Wille. Es steht mir nicht zu, Seine Beweggründe infrage zu stellen.«
    Diese Antwort, das wusste er, war der Grund für seine Beförderung in den Rang des  leo  wenige Monate später. Und mit der neuen Weihestufe war ihm eine Bürde zugekommen, die er lieber nicht auf sich genommen hätte: Der Pater hatte ihm Mithras’ Plan für sie und die ganze Stadt Bologna enthüllt.
    Giovanni hatte so getan, als sei er einverstanden, aus Angst, dass man ihn für nicht würdig befunden hätte, aber von da an wurde er seines Lebens nicht mehr froh. Und er hatte Erleichterung verspürt, als er herausfand, dass sein Freund Bertrando Lamberti seine Zweifel teilte. Sie hatten mehrmals unter vier Augen darüber gesprochen, und Bertrando hatte ihm von seiner Absicht erzählt, unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses Rat bei einem Franziskanermönch zu suchen, dem er vertraute. Giovanni hatte ihn nicht begleitet, aber er hatte gespannt darauf gewartet, was Bertrando ihm bei seiner Rückkehr sagen würde.
    Allein, Bertrando war nicht zurückgekehrt. Gottes Zorn hatte ihn vorher ereilt.
    Inzwischen war der Neuling zwischen den beiden Fackelträgern mit den symbolischen Namen Cautes und Cautopates hindurchgeschritten und stand nun vor dem Pater, der ihn hinter dem Altar erwartete. Auf dem Felsen im Hintergrund zeigte ein großes Fresko Mithras’ Geburt aus dem lebendigen Felsen. Im Gemeinschaftsraum des Tempels gab es ein ähnliches Bild, das den Gott darstellte, wie er gerade den Stier tötete.
    Der Pater

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