Die Bruderschaft des Feuers
hatte es auf dem Arm eintätowiert. Das bedeutet, es muss eine Sekte geben, die dieses Götzenbild verehrt. Stimmt Ihr mir zu?«
»Schon möglich«, sagte Mondino und nahm all seine Selbstbeherrschung zusammen, um nicht zum Hinterzimmer der Arzneimittelhandlung hinüberzuschauen. Sie beschuldigten gerade Eleonoras Schwiegervater des Götzendiensts, und sie hörte alles mit. »Aber was hat das alles …«
»Wenn es eine Sekte gibt, wird es auch einen Tempel geben«, unterbrach ihn Gerardo rücksichtslos. »Ich glaube, wir müssen jetzt eines tun, und zwar die Leute befragen, die solche Tempel bauen. Morgen kann ich mich auf den Baustellen im Stadtzentrum umhören, zum Zunfthaus der Maurer gehen und den Meistern diese Zeichnung zeigen. Dabei könnten wir etwas Wichtiges erfahren.«
»Glaubst du, die Anbeter eines Götzen würden den Tod auf dem Scheiterhaufen riskieren, indem sie freie Maurer beauftragen, ihnen einen Tempel zu bauen, als sei dies legal?«
»So dumm bin ich nicht, Magister«, entgegnete der junge Mann. »Aber Bologna ist voll von Überresten aus vergangenen Zeiten, und niemand macht sich die Mühe, sie zu entfernen, besonders in der Gegend, die bis vor einiger Zeit noch civitas antiqua rupta hieß. Die Maurer könnten das Götzenbild irgendwo gesehen haben, in einem alten Palazzo, in einem Haus, wo sie irgendwelche Arbeiten ausführen sollten … Was auch immer sie uns sagen, es könnte eine nützliche Spur für uns sein.«
»Nützlich? Ich sehe nicht, wie.«
»Wir hätten etwas Konkreteres in der Hand, um es dem Capitano del Popolo zu erzählen, und könnten vielleicht auf seine Hilfe zählen, ohne dass ich das Versprechen brechen müsste, das ich Bruder Samuele gegeben habe. Außerdem …«, sagte er und bedeutete Mondino, er solle ihn ausreden lassen. »Wenn wir diesen Tempel entdecken, könnten die Soldaten des Capitano del Popolo bei einer Durchsuchung dort auch Bertrando Lambertis Leiche finden. In diesem Fall ginge die Sache in die Hände der Justiz über, und Ihr wärt alle Sorgen los.«
Seine Argumentation war schlüssig, und Gerardo hatte schon früher bewiesen, dass er seine Intelligenz mit einer beachtlichen Tatkraft zu verbinden wusste. Mondino gestattete sich die Hoffnung, dass es wirklich so kommen würde.
»Gut, wir verfahren, wie du willst«, sagte er und bedeutete dem jungen Mann, ihm nach draußen zu folgen. »Aber denk daran, einschließlich heute bleiben mir von der Woche, die mir der Podestà zugestanden hat, nur noch sechs Tage.«
»Es gilt, keine Zeit zu verlieren, ich weiß«, erwiderte Gerardo. »Und das nicht nur Euretwegen, sondern auch für das Wohl der ganzen Stadt. Bis zur Weihnachtsnacht ist es nicht mehr lange hin.«
Draußen in der grauen Luft wirbelte der Schneeregen. Kleine Flocken, die sich auflösten, sobald sie den Boden berührten. Während Mondino die Kapuze seines Umhangs zuhielt, fragte er sich, wie Eleonora das Gehörte benutzen würde.
Er hoffte von ganzem Herzen, dass es richtig gewesen war, ihre Anwesenheit in der Arzneimittelhandlung zu verschweigen.
FÜNF
M ondino hatte eine wichtige Ankündigung zu machen. Er hatte lange überlegt, wie er es am besten mitteilen sollte, damit die Nachricht nicht so dramatisch wirkte, wie sie tatsächlich war, zumindest für ihn.
Aber er hätte niemals zugelassen, dass dadurch der Unterrichtsstoff des Tages gestört wurde, daher hatte er beschlossen, die Angelegenheit erst am Ende der Lektion anzusprechen.
Er hatte in den Hörsaal ein getrocknetes menschliches Ohr mitgebracht, mit allen Knochen, Knorpeln und Nervensträngen. Er beschrieb dessen Form und Anatomie, erklärte, dass der spiritus des Gehörs genau wie beim Sehsinn, den er bereits behandelt hatte, in der Höhlung des Felsenbeins saß, und ließ das Ohr in den Bankreihen von Hand zu Hand reichen, damit die Studenten es aus der Nähe betrachten konnten und auch von innen, wenigstens so weit das Auge reichte.
Odofredos Frage kam prompt. »Warum habt Ihr uns nicht auch ein seziertes Ohr gezeigt, an dem die einzelnen Knochen voneinander getrennt sind? So hätten wir es viel leichter begriffen.«
Mondino blickte ruckartig auf und wollte ihn schon für sein disziplinloses Benehmen tadeln. Doch dann sah er, dass der junge Deutsche diesmal immerhin daran gedacht hatte, die Hand zu heben, auch wenn er mit dem Reden nicht bis zu den quaestiones gewartet hatte, und das stimmte ihn ein wenig milder.
»Weil die Knöchelchen unter dem Grundbein zu
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