Die Bruderschaft des Feuers
gebracht hatte, hieß das bestimmt nichts Gutes, davon war er überzeugt, aber er hatte noch keine Vorstellung, worum es dabei ging.
»Natürlich werden wir Euch für Eure Mühen bezahlen«, ließ sich Azzone vernehmen. »Paolo il Tosco ist der beste Zimmermann, den ich kenne, und ich übernehme sämtliche Kosten für seine Behandlung.«
»Sehen wir uns den Verletzten an«, sagte Mondino. Er fühlte sich, als hätte jemand einen Pfeil auf ihn angelegt, doch ohne dass er wusste, aus welcher Richtung.
Seine Studenten machten sofort respektvoll Platz, als er sich dem Tisch näherte und die Decke, die den Mann wärmen sollte, bis auf den Bauch hinunterzog. Aufgrund des unnatürlich verrenkten Halses begriff er sofort, wo das Problem lag. Mit äußerster Vorsicht tastete er die Wirbel ab, wobei der Mann, den Azzone Paolo genannt hatte, weder die Augen öffnete noch einen Seufzer ausstieß oder sonst irgendeine Reaktion auf seine Berührung zeigte. Er schien nicht das Bewusstsein verloren zu haben, was sein schneller, unregelmäßiger Atem bewies, aber er war auch nicht ansprechbar. Er befand sich in einem Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen, und in welcher Verfassung er sich letztendlich festigen würde, hing nur wenig von der Behandlung ab, die man ihm angedeihen ließ, sondern eher von der Gnade Gottes.
»Ein hoffnungsloser Fall«, sagte Mondino und drehte sich zu den anderen um. »Es liegt ein Bruch am Hals vor, und wahrscheinlich ist das Rückenmark verletzt. Selbst wenn er wieder gesunden sollte, was schwerlich eintreten wird, wird er nie mehr werden wie vorher.«
Das Mädchen stöhnte tief auf, und ihr langgezogener Seufzer schien direkt aus dem Herzen zu kommen. Das musste die Tochter des Verletzten sein. Azzone schien dagegen vollkommen unbeeindruckt von der Nachricht.
»Wir bitten Euch trotzdem, alles zu versuchen, was in Euren Kräften steht«, sagte Fedrigo Guidi. »Und sorgt Euch nicht um die Kosten. Mein Vetter möchte den Mann für seinen aufopferungsvollen Arbeitseinsatz belohnen.«
Dass Azzone einen Arbeiter belohnen wollte, war etwa so glaubhaft, als wollte ein Wolf Schafe hüten, aber Mondino blieb nichts anderes übrig, als den Auftrag anzunehmen. Der Zimmermann musste umgehend behandelt werden. Es war schon ein Wunder, dass er lebend bis auf seinen Esszimmertisch gekommen war, eine weitere Beförderung würde ihn sicher umbringen.
»Ich werde tun, was ich kann«, sagte er. Dann wandte er sich an das Mädchen. »Euer Vater muss hier auf diesem Tisch liegen bleiben. Wir können erst daran denken, ihn zu verlegen, falls es mir gelingen sollte, den Bruch so zusammenzufügen, dass das Rückenmark nicht weiter beschädigt wird. Natürlich könnt Ihr ihn so oft besuchen, wie Ihr wollt.«
»Mit Eurer Erlaubnis, Magister, würde ich gern in seiner Nähe bleiben«, erwiderte sie. »Mein Vater und ich sind allein auf der Welt, wir haben keine weiteren Verwandten. Ich werde Euch nicht zur Last fallen und bei der Hausarbeit helfen, aber ich bitte Euch, lasst mich hierbleiben.«
»Nun gut«, stimmte Mondino zu. »Aber jetzt lasst mich mit ihm allein. Ich muss entscheiden, was zu tun ist, und das kann ich nicht, wenn zu viele Leute um mich herum sind.«
»Wir würden auch gerne bleiben«, sagte Odofredo. »Euch bei einem solchen Fall zuzusehen ist bestimmt sehr lehrreich. Außerdem könnten wir Euch nützlich sein.«
Erstaunt öffnete Andolfo den Mund, um etwas zu sagen, aber dann überlegte er es sich. Selbst er mit seinem beschränkten Geist musste begriffen haben, dass dies für einen angehenden Arzt eine einzigartige Erfahrung war.
»An euch beide habe ich schon gedacht«, bestätigte Mondino. »Jetzt …«
In diesem Augenblick stürzte Gabardino atemlos und mit einem Kistchen in der Hand in den Raum. »Ich habe in Wasser gelöstes Opium mitgebracht«, sagte er, während er es öffnete, »um den Schmerz zu lindern und die Entspannung des Organismus zu fördern. Außerdem habe ich noch Bilsenkraut und Weißdorn und …«
»Das werden wir ihm dann geben, wenn wir den Bruch versorgen«, sagte Mondino. »Im Augenblick muss er dagegen unbedingt bei Bewusstsein bleiben. Wenn er jetzt einschlafen sollte, könnte es sein, dass er nie wieder aufwacht.«
»Wie Ihr wünscht, Vater«, erklärte Gabardino. »Ich habe nur versucht zu helfen.«
»Aber das hast du ja auch getan. Das Opium brauchen wir, wenn auch nicht gleich. Jetzt ist mir vor allem eins wichtig, dass nur noch meine Gehilfen und ich hier
Weitere Kostenlose Bücher