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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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der Nase und taumelte dem schmalen Ausgang zu. Als er an Abdul vorüberkam, öffnete dieser den Mund, als ob er etwas sagen wollte, aber er warf ihm einen so eisigen Blick zu, dass der Sarazene es vorzog zu schweigen.
    Sobald er draußen war, lief er zu dem kleinen Platz. Es kümmerte ihn jetzt nicht mehr, mit den Nachbarn des getöteten Baumeisters zu sprechen. Jetzt wollte er nur noch den größtmöglichen Abstand zwischen sich und die Soldaten bringen.
    Als er um die Ecke gebogen war und sich sicher fühlte, fiel ihm Masino ein. Der Gedanke an den Jungen, der allein durch die Straßen dieser unbarmherzigen Stadt irrte, ließ ihn den Schmerz in der Schulter und den Zorn auf Abdul vergessen.
    Doch jetzt wusste er nicht mehr, wo er noch suchen sollte. Mit einem Gefühl der Resignation, das die erlittenen Schläge nur noch verstärkt hatten, machte er sich langsam auf den Weg zum Waisenhaus.
    Der Versammlungsraum des Mithraeums schien sich in eine Färberwerkstatt verwandelt zu haben. Überall standen Holzbottiche herum, und Männer und Frauen mit aufgekrempelten Gewändern mischten Flüssigkeiten und Pulver. Doch in den Bottichen befanden sich keine Lösungen zum Färben von Stoffen, sondern schwarzes Pech, Schwefel, Salpeter, Rohöl und ungelöschter Kalk, deren Dämpfe trotz des ausgeklügelten Belüftungssystems des Tempels die Augen reizten.
    Das waren die Hauptzutaten für die Vorbereitung des Griechischen Feuers, eines weiteren Geheimnisses aus dem Buch des Legionärs Titus. Der Pater hatte alle klassischen Texte darüber gelesen, von Pedanios Dioscurides bis zum  Liber Ignium  von Marcus Graecus, aber keiner hatte sich so genau ausgedrückt wie Titus, der Zugang zu Quellen aus erster Hand gehabt haben musste.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen stand der Pater im Raum und beobachtete mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Wehmut das Treiben seiner Jünger. Er gab sich keinen Illusionen hin: Der Tod von Bertrando Lamberti und Giovanni da San Gimignano hatte die Gläubigen verunsichert, und früher oder später würde einer von ihnen reden. Es waren ja nur schwache Menschen, unfähig, Gottes Pläne vollständig zu erfassen. Viele waren dem Kult beigetreten, weil die Römische Kirche sie enttäuscht hatte, doch sie bemerkten nicht, wie enttäuschend sie selbst waren. Sie verstanden Religion als etwas, von dem man sich alles nehmen konnte, ohne selbst etwas zu geben.
    Daher hatte er beschlossen, nicht mehr bis zur Heiligen Nacht zwischen dem 24. und 25. Dezember zu warten, sondern den Termin für den Brand auf den folgenden Montag vorzuverlegen.
    Bis dahin waren es nur noch drei Tage. Dieses Mal hatte er Gott nicht um Rat gefragt. Es gab Momente, da musste ein Mann allein die Lage prüfen und entsprechend handeln, ohne für jede Entscheidung eine höhere Macht hinzuzuziehen.
    Seine Gruppe brach auseinander, und es war klug, das Ganze nicht weiter aufzuschieben. Er bezweifelte nicht, dass viele sich weigern würden, zum  pairidaeza  aufzubrechen. Ihr Glaube war zu schwach. Sie waren wohl bereit, die Seelen der anderen im Feuer zu läutern, aber nicht die eigenen.
    Daher hatte er nur seine beiden vertrauenswürdigsten Statthalter von seinen Plänen unterrichtet. Nachdem jeder von ihnen in dem ihm übertragenen Viertel Feuer gelegt hätte, würden sie ihre Mitbrüder umbringen, die ihnen dabei geholfen hatten, und sie den Flammen überantworten. Dann würden sie sich mit ihm in dem Gebäude treffen, in dem sich der Tempel befand, und nachdem sie ein letztes Mal zusammen  haoma  getrunken und das Haus in Brand gesteckt hätten, würden sie sich wieder mit den anderen vereinen und ihnen im Jenseits als Führer dienen.
    Seine Statthalter hätten dieses letzte Ritual am liebsten im Tempel abgehalten, der Pater hatte ihnen jedoch erklärt, dass das unmöglich war. Das Mithraeum musste bewahrt werden, damit zukünftige Generationen es entdecken und den Mithraskult wiederaufleben lassen könnten. Ohne jemanden einzuweihen hatte er einen Brief im Stile von dem des Titus aufgesetzt, der sich an die Person wandte, die den Tempel wiederentdecken würde. Ihn erfüllte berechtigter Stolz, dass er seinen berühmten Vorgänger sogar übertroffen hatte. Denn er hatte das Geheimnis der persischen Miniatur entschlüsselt, das für Titus unverständlich geblieben war, und ihm war es gelungen, sich das Wissen der alten weisen Magier anzueignen: die Macht des Göttlichen Feuers. Und er war nicht davon verzehrt worden. Ganz im

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