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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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einer hungrigen Familie zu enden. Das heißt, falls es überhaupt noch eine Familie gab und der Mann nicht bereits seine Frau und seine Kinder aufgefressen hatte, wie es bereits häufig geschehen war.
    Ein paar Lektionen mit der Schnittpistole hatten auch die Hungrigsten gelehrt, daß sie bewaffnete Guerillas besser in Ruhe ließen. Inzwischen wußten sie, daß jeder, der einen Guerilla angriff, selbst in der öffentlichen Speisekammer endete.
    Jaaa, dachte Vanderling, während ihre Schritte durch die stillen, leeren Straßen hallten, die Tiere fressen sich gegenseitig auf. Der einzige Ort, wo keiner dem anderen nach dem Leben trachtete, war der öffentliche Speisesaal. Jedermann, der, mit oder ohne fremde Hilfe, starb, wurde in den Speisesaal geschafft, und das war der einzige Grund, warum nicht bereits alle Einwohner verhungert waren. Aus Selbstschutz wurde jeder getötet, der im Bereich der Speisehalle einen schmutzigen Trick versuchte, und aus diesem Grund war dieser Platz geradezu eine Waffenstillstandszone und für Vanderlings Verhandlungen besonders geeignet.
    Vanderling und seine Männer bogen um eine Ecke, und das große, fensterlose Gebäude, das an eine Scheune erinnerte, lag direkt vor ihnen. Es hatte einen breiten, offenen Eingang. Im Innern flackerte orangefarbenes Licht und warf seinen Schein auf einige Dutzend Sadianer. Vanderling hörte gedämpfte Sägegeräusche und dumpfes Klopfen, gemischt mit schrillem Gezänk. Das war die öffentliche Speisehalle.
    Vanderling scharte seine Männer um sich: Gomez, Jonson und drei weitere Herogynsüchtige. „In Ordnung, Gomez“, sagte er, „du gehst voraus und stellst fest, ob die Luft rein ist. Wenn wir gleich hineingehen, dürft ihr Burschen eines nicht vergessen: Haltet eure Schnauzen! Ich habe einen Trick vor, um die Brüder zu töten, und dazu muß ich ein paar seltsame Lügen auftischen. Einige davon werden euch nicht gefallen. Ihr müßt aber immer bedenken, daß es ein Betrug an Moro sein soll. Also, Gomez, setz dich in Bewegung!“
    Sie warteten auf der anderen Straßenseite, und Gomez ging in die Speisehalle. Einen Moment lang schwieg alles in dem Gebäude, dann war wieder der gleiche Lärm wie zuvor zu hören. Nach einigen qualvoll langen Minuten kam Gomez wieder heraus und überquerte die verödete, abfallbedeckte Straße.
    „Nun?“ grunzte Vanderling.
    „Ein Bruder, drei Töter und ein paar Dutzend Tiere“, sagte Gomez.
    „Scheint in Ordnung zu sein“, meinte Vanderling. „Wir gehen hinein. Gomez, du nimmst dir zwei Mann und schaffst mir da drinnen die Tiere vom Hals. Dann wirst du mich gemeinsam mit Jonson bewachen, während ich mit dem Bruder verhandele. Haltet die Schnittpistolen schußbereit und laßt die Töter nicht aus den Augen. Die anderen bewachen den Eingang, das ist nämlich der einzige Zugang zu dem Schuppen. Wenn ihr seht, daß sich draußen irgend etwas bewegt, brüllt ihr. Also los!“
    Gomez und zwei andere Freaks überquerten die Straße und verschwanden in der Halle. Vanderling hörte, wie im Innern Befehle gerufen wurden und Protestgeschrei erklang. Neue Befehle ertönten, diesmal in einem schärferen Tonfall. Dann kamen in Gruppen von zweien oder dreien düstere, hagere Gestalten durch die Tür. Gierig hielten sie rohe Fleischstücke umklammert, blutige Arme und Beine. Ihre Blicke streiften mißtrauisch über alles ringsumher, über Vanderling, über ihre Kumpane und über die zuckenden Schatten in den düster drohenden Gassen. Dann schlichen sie sich davon, verschwanden einer nach dem anderen in Nebenstraßen, mit Abfall, Kot und zersplitterten weißen Knochen übersät.
    Vanderling wartete, bis Gomez in der Tür erschien und ihm ein Zeichen gab. Es war nicht sehr empfehlenswert, wenn die Tiere mit ansahen, wie Marschall Vanderling, ihr zukünftiger Präsident, mit einem Bruder palaverte.
    Im Innern des Gebäudes gab es nur einen einzigen, faulig stinkenden Raum. Er war riesig und wurde von Fackeln erhellt, die an den hölzernen Wänden weit unter der hohen, verschatteten Decke angebracht waren. An einer Wand war eine riesige Halde von Menschenleibern aufgeschichtet, graue, zerschundene Männer, alte Frauen und Kinder. Gliedmaßen und Leiber waren ineinander verschlungen, als seien sie in einer unvorstellbar widerwärtigen Orgie erstarrt.
    Überall auf dem grauen Steinboden der Halle standen grobe, roh gezimmerte Tische. Auf vielen von ihnen lagen ganze Menschenleiber, und einige hatte man bereits zerlegt. Ein

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