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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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guter Platz für ein kleines Guerilla-Lager. Von dort war er zu seinem langen, heißen Fußmarsch aufgebrochen, der ihn durch den Dschungel und hinaus in das grasbewachsene offene Gelände geführt hatte, unter die schmelzende Hitze der rötlichen Sonne von Sangre.
    Aber jetzt sah es so aus, als ob er sein Ziel erreicht hätte. Ungefähr zwanzig oder dreißig Meilen die Straße hinab lag ein Anwesen. Die Straße führte nach Sade, also war es höchst wahrscheinlich, daß in den nächsten Stunden irgend etwas vorbeikommen würde. Und wenn das geschah …
    Vanderling betastete die Waffe, die an einem Gurt von seiner Schulter herabhing; er machte sie schußbereit. Sie war recht klein, von dem Pistolengriff am einen Ende bis zu der Linsenöffnung an der Mündung maß sie nur etwa sechzig Zentimeter. Obwohl sie nur knapp drei Pfund wog und rückstoßfrei schoß, hatte die Schnittpistole vorn, kurz hinter der Mündung, einen Hilfsgriff; dadurch ähnelte sie ein wenig einer alten Maschinenpistole.
    Vanderling grinste und brachte die mattschwarze Plastikschnittpistole in den Anschlag. Er drehte sich um und zielte auf den Dschungel. Mit dem Zeigefinger zog er den Abzug durch und schwenkte die Waffe leicht hin und her, wobei er den Hilfsgriff als Drehpunkt benutzte.
    Es entstand kein Geräusch. Es gab kein Knacken, keinen Mündungsblitz. Einen Moment lang schien es, als wäre gar nichts geschehen. Dann war lautes Krachen, Klatschen und Poltern zu hören, als ein Regen von Zweigen und Blättern auf den Waldboden prasselte. Vanderling blickte den schmalen, absolut leeren Streifen entlang, den er aus dem dichten Blattwerk herausgeschnitten hatte. Am Rand der Schnittlinie sah er dicke Äste, die sauber und gerade abgetrennt, und Blätter, die glatt halbiert worden waren. Es sah so aus, als hätte er einen Streich mit einer riesigen, scharfen, alles durchdringenden Machete geführt. Genauso würde die Schnittpistole auf Felsgestein oder Stahl wirken – oder auf menschliches Fleisch.
    Vanderling kämpfte sich durch das hohe Gras, bis er etwa Dreiviertel der Hangstrecke hinter sich gebracht hatte. Dann ließ er sich auf einer kleinen Erhebung nieder, etwa fünfundzwanzig Meter vom Straßenrand entfernt, legte die Schnittpistole quer über seine Knie und bereitete sich auf eine längere Wartezeit vor.
    Das hohe Gras, das ihn vor fremden Blicken verbarg, war mit einem vielfältigen Insektenleben erfüllt. Winzige Milben gab es, Käfer und widerwärtige Viecher, die mehr als zwanzig Zentimeter lang waren, acht lange, haarige Beine hatten und ihn aus zwei schwarzen Glotzaugen anstarrten. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und grunzte. Der ganze verdammte Planet quoll geradezu über von diesen Käfern und Läusen. Tatsächlich hatte er auf seinem langen Marsch kein Lebewesen gesehen, das kein Insekt gewesen wäre, und ein paar waren darunter, die fast so groß wie Hunde waren. Die Evolution – oder wer sich sonst diese Planeten ausdenkt – mußte total in Insekten vernarrt gewesen sein, als sie diese Welt erschaffen hatte.
    Und diese verdammte Hitze! Es war kurz vor Sonnenuntergang, und es herrschten immer noch mindestens vierzig Grad … Vanderling dachte kurz nach. Es war ein langer, heißer Marsch gewesen, aber so lang nun auch wieder nicht. Bis zum Sonnenuntergang würden noch viele Stunden vergehen. Es lag an dieser verdammten rötlichen Sonne; das verfluchte Ding sah immer so aus, als ob es gerade untergehen wollte. Das Gras, die Bäume, alles war in brütendes rotes Licht getaucht, als würde der ganze verdrehte Planet bluten … Was hatte das kleine Großmaul noch gesagt? Sangre war ein altspanisches Wort für Blut? Nun, das paßte, das paßte ganz gewiß.
    Vanderling wartete und wartete in der heißen Sonne. Er dachte sich finstere Verwünschungen für Sangre und alles Sangranische aus. Es gab nur eine gute Seite, die er an dem Schlammkloß entdecken konnte: Der Dschungel und das hohe Gras ergaben ein ideales Terrain für einen Guerillakrieg – jedenfalls dann, wenn man die Sache aus dem Blickwinkel der Guerillakämpfer betrachtete. Hohe, knorrige Bäume mit üppigen, gefiederten, palmenartigen Blättern, dichtes Unterholz, und das offene Gelände war mit dem hohen Gras bewachsen. Überall bot sich gute Deckung. Und Überall diese verfluchten Viecher, dachte er, während er nach den summenden Wesen schlug, die seinen Kopf umkreisten.
    Vanderling saß wartend in der Hitze, begleitet nur von seiner Langeweile und seinem

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