Die Bruderschaft des Schmerzes
Wahnsinn um ihn herum zu ignorieren, mußte er alle Willenskraft zusammenhalten. Dann gelangten sie zu einem leeren Korridor und passierten einen Quergang, aus dessen Tiefe fernes Stöhnen klang. Schließlich erreichten sie eine kleine Kammer, die von einer einzigen kahlen Glühbirne erleuchtet wurde, die von der Decke baumelte.
Ein Mann war mit Hand- und Fußgelenken an die Wand gekettet. Sein Körper war mit einer Vielzahl von häßlichen kleinen Brandwunden übersät, und ein Töter war soeben dabei, ihm mit einem elektrischen Brandeisen eine weitere Wunde zuzufügen, während Moro in einer Ecke stand und bei den Schreien des Mannes befriedigt nickte.
Fraden fühlte, wie seine Nerven sich anspannten, und sein Verstand begann fieberhaft zu arbeiten, als der Schrei erklang, denn es war nicht Schmerz, wovon dieser Schrei kündete, sondern viel eher Haß und Wut. Die Augen des Mannes waren nur noch leere rote Höhlen. Mit zersplitterten, blutigen Fingernägeln riß er wie wahnsinnig an seinen Fesseln. Als der Töter das Eisen absetzte, verwandelte sich der Schrei in ein kaum hörbares Stöhnen: „Tö-tö-tö-ten …“
Der Mann litt unter akutem Herogyn-Entzug. Er trug einen grünen Lendenschurz. Er war einer von Willems Guerillas.
Moro wandte sich um, öffnete den Mund und setzte zum Sprechen an, aber Fraden redete zuerst. „Ich hoffe, das hier wird nicht zu lange dauern, ganz gleich, worum es gehen mag. Das Omnidren ist ausgegangen, und ich muß so schnell wie möglich zum …“
„Ja, ja, das stimmt. Du mußt dich darum kümmern, sobald wir hier fertig sind“, sagte Moro geistesabwesend. „Aber da du der Bruder mit der größten Allgemeinbildung bist, möchte ich deine Meinung über diese seltsame Kreatur hören. Seltsame Dinge haben sich in der letzten Zeit in den Landprovinzen ereignet … Töter wurden angegriffen, zwei Anwesen niedergebrannt. Hin und wieder kommt es vor, daß die Tiere in einem Dorf Amok laufen, wenn ihr Gehirn stirbt, die Läuse wild werden und wir nicht schnell genug ein neues Gehirn herbeigeschafft haben. Es schien so, als wenn das wieder einmal geschehen wäre. Aber aus reiner Neugierde befahl ich, daß die Töter, wenn sie noch einmal angegriffen würden, einen Gefangenen machen und sich dann zurückziehen sollten. Das tun sie natürlich nur äußerst widerwillig. Gestern wurde eine Töterpatrouille von fast dreißig bewaffneten Männern angegriffen. Sie haben viele getötet. Aber da sie nur zu sechst waren, wurden sie am Ende ausgelöscht. Alle bis auf einen Töter, dem es gelang, meinen Befehl zu befolgen und mit diesem höchst sonderbaren Gefangenen zu entkommen. Sie genau hin!“
Moro gab mit seiner feisten Hand dem Töter mit dem Brandeisen ein Zeichen, zur Seite zu treten, und ging einen Schritt auf den Gefangenen zu. Der Mann wand sich, schnappte mit den Zähnen wild nach dem Propheten des Schmerzes und schrie dabei: „Töten … töten … töten …“
„Ich bin der Prophet des Schmerzes, du Tier!“ bellte Moro. „Höre mir zu und gehorche! Du wirst mir jetzt sagen, wer du bist und warum du dich der Blasphemie und des Mordes schuldig gemacht hast. Im Namen der Bruderschaft des Schmerzes und der natürlichen Ordnung, rede !“
Der Guerilla wand sich in seinen Ketten. Schaum trat aus seinem Mund und verfärbte sich rot, als er sich mit den Zähnen die Lippen zerfleischte. „Töten!“ schrie er. Aus seinem Haß schien er neue Kraft zu schöpfen. „Töten! Zerstören! Tod der Brüderschaft! Tod den Tötern! Tod dem Propheten! Tod Moro! Tod! Tod! Tod!“ Die Worte verloren sich in einem tierischen Wutgeheul.
Moro schlug dem Mann mit dem Rücken seiner schweren Hand ins Gesicht. Sein Kopf wurde gegen die Seitenwand geworfen. Der Guerilla sackte in sich zusammen, aber Fraden bemerkte, daß er noch immer schwach atmete. Moro hatte ihm nicht die Gnade erwiesen, ihn zu töten.
„Siehst du …?“ sagte Moro im Plauderton. „Kein Tier könnte sich so verhalten, so gegen die natürliche Ordnung verstoßen. Tiere gehorchen.“ Moro legte die Stirn in tiefe Falten. „Es ist fast, als ob …“
„Als ob er ein Töter wäre“, sagte Fraden schnell. Es war das erste, was ihm einfiel. Die Antwort war so gut wie jede andere. Er brauchte jetzt nur noch Zeit, um hier herauszukommen, zu Sophia zu gelangen und das Beiboot im Hof zu erreichen. Vielleicht hatte er noch zwanzig Minuten. Solange sich der Guerilla noch in diesem Stadium des Entzugs befand, konnten sie ihn bei
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