Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
macht es schon aus, wenn es nicht gelingt – dann versuchen wir es eben noch einmal!“
    Fraden brachte keinen Laut hervor. Er war sich gewiß, daß er sich erbrechen würde, sobald er seinen Mund öffnete.
    Aber Moro schien ohnehin hauptsächlich deswegen zu reden, weil er so gern seiner eigenen Stimme lauschte. Er nahm sich einen weiteren Arm von der Schale und knabberte abwechselnd mal an diesem und mal an dem anderen, während er sprach.
    „Sieh genau hin, ganz genau!“ sagte er, indem er mit einem Ärmchen auf die Plattform in der Arena deutete. „Siehst du, wie die Fußeisen verdrahtet sind? Die Spannung ist genau so ausgelegt, daß man den maximalen Schmerz erzielt, ohne bleibende Schäden zu verursachen.“
    Während er redete, führten Tötergruppen zwei lange Menschenreihen durch das Arenator über den Sand zu der Plattform. Eine Schlange war ganz aus Männern gebildet, die andere ausschließlich aus Frauen.
    „Siehst du das?“ rief Moro mit schriller Stimme. „Diese Knöpfe?“ Fraden bemerkte zwei Reihen von Schaltknöpfen, die parallel in der Mitte der Plattform verliefen. Als die Töter damit begannen, die Opfer auf die Plattform festzuschließen, erkannte er, daß die Knöpfe gerade noch von den gefesselten Männern und Frauen erreicht werden konnten.
    „Das ist schon genial!“ prahlte Moro. „Die Knöpfe regeln die Stromzufuhr. Die Opfer können den Strom nach Belieben ein- und ausschalten.“
    „Das verstehe ich nicht“, sagte Fraden gepreßt. „Warum …?“
    „Ach, die Knöpfe sind miteinander verbunden, verstehst du? Ich werde es dir erklären. Die Versuchspersonen können den Strom in den Fesseln ihres Gegenüber steuern, nicht in ihren eigenen. Wenn beim Partner Strom fließt, dann sind die eigenen Fesseln ausgeschaltet. Aber, und das ist besonders meisterlich erdacht, wenn beide Knöpfe niedergedrückt werden, dann fließt Strom in beide Fesseln. Wenn kein Knopf gedrückt wird, ist es genauso. Um das Interesse zu erhöhen, haben wir den Versuchspersonen eine kurze Einführung in die Wirkungsweise der Schaltung gegeben. Als besonderen Pfiff haben wir die Opfer so angeordnet, daß sich immer zwei gegenüberliegen, die als Paar zusammengelebt haben. Wenn man nämlich Wahnsinn erzeugen will, ist es am besten, wenn man den Körper und die Seele foltert, nicht wahr?“
    Inzwischen waren alle Opfer an ihrem Platz. Über einhundert Männer lagen auf dem Bauch auf dem rohen Holz. Ihnen gegenüber lag die gleiche Anzahl erschreckter Frauen. Moro hob seinen feisten rechten Arm, ein Töter legte den Hauptschalter unter der Plattform um und …
    Ein durchdringender, tierischer Schrei zerriß die Luft, als der Strom in die Fußeisen floß. Ein einziger, gewaltiger Laut, wie von einem Tier im Todeskampf. Die Körper auf der Plattform wurden starr, dann wanden sie sich in Krämpfen. Hände tasteten nach den Knöpfen, und von männlicher Höflichkeit war nichts zu sehen. Bei manchen Paaren war der Mann schneller, bei anderen die Frau. Die Hälfte der Opfer wand sich weiter schreiend auf dem Holz, die andere lag schwer atmend da und beobachtet die Qual des Partners.
    Hinter sich hörte Fraden ein widerwärtig plätschernd-glucksendes Geräusch, vielstimmiges Gelächter, kleine fröhliche Schreie, das Sprudeln von Wein, der die Kehlen herunterrann. Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Er konnte nur das Schreckensbild in der Arena betrachten, den Anblick der fröhlichen Brüder in seinem Nacken hätte er nicht ertragen.
    „Sieh doch, sieh doch!“ brüllte Moro und klopfte ihm dabei auf den Rücken, während seine Hand noch immer einen winzigen menschlichen Arm umklammert hielt. Fraden spürte, wie in seinem Hals Übelkeit aufstieg.
    Jetzt wanden sich alle Opfer in wilden Krämpfen, alle Knöpfe waren niedergedrückt, die Gesichter waren zu Teufelsmasken von wilder Entschlossenheit verzerrt. Alle Opfer wollten um jeden Preis länger durchhalten als der Partner, ihn zwingen, für einen Augenblick nachzugeben. Einen Moment der Befreiung sollte er gewähren, in der Hoffnung, daß es ihm später vergütet würde.
    Hier und dort geschah es, daß ein Mann oder eine Frau dieser Hoffnung nachgaben. Sie nahmen die Hand von dem Knopf und warfen sich weiter hin und her in ihrer Qual, während der Körper gegenüber erschlaffte und für den Augenblick von den durchdringenden Schmerzen befreit war. Doch wer einmal dem Schmerz entronnen war – wollte der denn freiwillig zu seiner Marter zurückkehren? Jene, die

Weitere Kostenlose Bücher