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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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nicht der Folter ausgesetzt waren, hielten den Knopf ohne Unterlaß niedergedrückt. Denn wenn man ihn freigab, bedeutete das, daß der Schmerz zurückkehrte, der gegenüber auf der Plattform wütete. In diesem Universum der Qual gab es keine Ehre, keine Liebe, keine Gnade, nur die grimmige Entschlossenheit, sich selbst das Leid so lange wie möglich zu ersparen.
    Die Verratenen griffen wieder nach ihren Knöpfen. Schmerz und Wut führten ihre Hände. Und nur wenige von denen, für die die Folter jetzt wieder begann, ließen ihre Knöpfe los, weil sie auf einen Gnadenerweis in der Zukunft hofften. Die anderen preßten nur die Zähne aufeinander und drückten fester auf den Knopf, von Haß und Schmerz geschüttelt.
    Und weiter und weiter ging es, endlos lang. Tausend Variationen des gleichen grausamen Wettkampfes zwischen Schmerz und stummem Flehen, zwischen Haß und Hoffnung.
    Jede Einzelheit der Massenqual, jedes Ampere des fließenden Stroms bahnte sich einen Weg zu Fradens Seele, seinem Inneren, seinem Wesen.
    Er war verantwortlich für das alles, persönlich, unmittelbar, unausweichlich, ohne Einschränkung verantwortlich. Er wollte sich auf der Stelle entblößen, seine schreckliche Schuld in die Welt hinausschreien, sich selbst in blutige Fetzen reißen.
    Er flog auf seinem Sitz herum, unfähig, den Anblick noch eine Sekunde länger zu ertragen. Und dann erblickte er die Brüder, die sich in einer Pyramide widerwärtig wogenden Fleisches über ihm auftürmten.
    Sie lachten. Es war das ekelerregende, rauhe Lachen fressender Hyänen. Kleine Fetzen menschlichen Fleisches fielen von ihren Mündern auf das schwarze Tuch ihrer Umhänge. Viele kneteten die zarten Körper ihrer Sklavinnen, als seien diese keine Wesen aus Fleisch und Blut. Mit den Fingernägeln ließen sie blutige Spuren zurück. In ihrer sadistischen Ekstase hatten sie der Haut ihrer Opfer purpurne Male beigebracht. Einige ließen sich unter der Robe massieren, während sie menschliches Fleisch verschlangen, mit den Augen rollten und ausgelassen über das Leid in der Arena lachten.
    Fraden spürte, wie ihm saurer Magensaft in der Kehle brannte, in seinen Eingeweiden wühlten schmerzhafte Krämpfe. Er mußte hier raus, und wenn sie ihn dafür töteten, und wenn sie ihn zerrissen, er mußte hinaus!
    Er sprang von der Liege auf, hielt eine Hand vor den Mund. Er benötigte seine ganze Willenskraft, um ein Würgen zu unterdrücken.
    Moro, dessen Gesicht vor Vergnügen rot angelaufen war, beobachtete ihn verdutzt; an einem seiner gelblichen Zähne pendelte eine lange Fleischfaser.
    Er grunzte: „Bruder Bart, du wirst das Beste verpassen. Wohin …?“
    „Klo …“ Fraden brachte das Wort mühsam durch die Finger hervor, wobei er dem Propheten den Rücken zuwandte. „Ich muß unbedingt aufs Klo!“
    Moro wollte noch etwas sagen, aber Fraden war schon halbwegs den Gang hinunter geeilt, dann begann er zu rennen. Der Prophet des Schmerzes zuckte die Achseln und wandte sich wieder seinem Vergnügen zu. Er hatte bis auf das Schauspiel vor seinen Augen alles um sich vergessen.
    Fraden rannte wie ein Verrückter den Gang hinab, hinaus aus dem Pavillon, durch ein Tor, durch einen kühlen, feuchten Korridor. Schließlich stand er keuchend vor dem Stadion. Die Einsamkeit, die gedämpften Geräusche, die noch immer aus dem Stadion drangen, trafen seinen Magen wie ein Faustschlag. Er stützte sich gegen die Stadionmauer und erbrach sich, würgte, erbrach sich erneut und würgte, würgte und würgte, bis sein Magen schmerzhaft gegen die Rippen pochte, bis Nachbilder über seine Netzhäute flogen, bis er das Gefühl hatte, daß er den ganzen verdammten Planeten ausgekotzt hatte.
    Und immer noch waren Laute aus dem Stadion zu hören. Sie rissen niemals ab und verbrannten schließlich seine elende Übelkeit, verwandelten sie in einen wilden, gnadenlosen Haß.
    Zehn Tage nachdem die Wahnsinnskampagne begonnen hatte, war der Schrecken bereits zur Routine geworden. Bart konnte die Reihen der Lastwagen durch das Tor zum Palastbezirk rumpeln sehen, ohne viel mehr dabei zu spüren als leichte Gewissensbisse. Manchmal sahen die nackten Menschen, die auf den Ladeflächen hockten, auf ihrem Weg zu den Massenzellen hinter dem Stadion zu ihm hinauf. Dann verfluchte sich Bart noch gelegentlich selbst, wenn ihn die langen, schweigenden Blicke der Opfer trafen.
    Fraden überblickte den weiten Platz. Töter trieben Frauen, Sklaven und Fleischtiere über den Hof. In der Nähe der Mauer

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