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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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murmelte Olnay versonnen. Er hatte den ausgehungerten Gesichtsausdruck eines alten Einsiedlers, der soeben den Sex entdeckt hat. „Ich befehle etwas, und sie machen es … Das ist fast wie Herrschen. Ein Bruder zu sein und kein Tier. Den Platz in der natürlichen Ordnung wechseln! Das klingt gut, das klingt wirklich gut. Ich bin dein Tier.“
    Er sah Fraden an und lächelte. „Ich könnte fast sagen, ich bin dein Mann.“ Er ließ sich die Worte auf der Zunge zergehen. „Ja, Bart … Ich bin dein Mann !“
     
    Mitten in der Nacht lag Bart Fraden mit offenen Augen da. Es lag nicht an der ausgebeulten Strohmatratze, daß er keinen Schlaf fand. Sophia, die sich warm und naekt an ihn schmiegte, war längst eingeschlafen. Etwas zermarterte ihm das Hirn. Es kam herauf aus den Gewölben des Unterbewußtseins und wollte an das helle Tageslicht des Bewußtseins.
    Er kannte das Gefühl nur zu gut. Sein Bauch wollte ihm etwas mitteilen. Er wußte über sein Inneres Bescheid, kannte diese besondere Veranlagung seit langem. Schon seit den Tagen des Gürtelfreistaats, ja, vorher schon, seit Groß New York. Auf manche Dinge mußte man eben warten können. Er mußte daraufwarten, daß sein Bauch ein Problem für ihn löste. Das konnte man Inspiration nennen oder die Fähigkeit des Unterbewußtseins, mehr Daten zu verarbeiten, als es das Bewußtsein vermochte … Fraden sagte einfach, daß sein Bauch mit ihm sprechen wollte.
    Hier ging es um den Unterschied zwischen einem Techniker und einem Künstler, zwischen einem kühlen politischen Rechner und einer charismatischen Figur, und Fraden zählte sich eher zu den letzteren. Du kannst dir die unwahrscheinlichsten, denkbar kompliziertesten und geschicktesten Ingtrigen ersinnen … wenn dein Bauch nicht mit dir sprechen will, wenn du eine Eingebung brauchst, dann wird dir alles andere nichts nützen.
    Und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo er auf eine Eingebung angewiesen war. Sangre hätte längst überkochen müssen, aber es geschah einfach nicht. Alle Bedingungen für eine Revolution waren erfüllt: eine skrupellose, despotische Herrschaftsschicht, ein gequältes, unterdrücktes Volk und die Hoffnung auf etwas anderes, etwas Besseres, das dem Planeten die Freie Republik brachte. Doch nichts Entscheidendes passierte. Es war ein starres, abgeschlossenes System, das im totalen Stillstand verharrte. Aber für all diese Systeme galt das gleiche: ein kleiner Stoß, die entscheidende Eingebung, und es würde wie ein Kristall zerspringen.
    Er spürte, wie sein Bauch an dieser Inspiration arbeitete, aber er wußte auch, daß es kein Mittel gab, wie er sie vor der Zeit an die Oberfläche zwingen konnte. Er wußte auch, daß viele Dinge diese Enthüllung auslösen konnten: ein Wort, ein Geräusch, ein Geruch …
    Es war schon verflucht frustrierend, so als habe er ein Ei in sich, das unbedingt gelegt werden wollte …
    Er fühlte, wie sich Sophias Körper neben dem seinen bewegte. „Bist du wach?“ flüsterte er.
    „Mmmh …“ seufzte sie und preßte sich näher an ihn. Ihr Gesicht streifte über seine Brust. „Jetzt bin ich wach“, antwortete sie mürrisch. „Was ist los mit dir? Warum schläfst du nicht endlich und läßt mich auch schlafen? Statt dessen wälzt du dich herum wie ein Fisch. Du denkst so scharf nach, daß ich das Getriebe in deinem Kopf knirschen höre, und deswegen bin ich aufgewacht.“
    „Würdest du mir glauben, daß die schiere Anwesenheit deines üppigen Körpers mich mit einer Lust erfüllt, daß ich …“
    Sie stieß ihm sanft das Knie in die Magengrube.
    „Also gut, also gut, in Wirklichkeit langweilst du mich entsetzlich, du Närrin. Im Ernst, ich hatte so ein Gefühl, als ob ich an der Schwelle …“
    „An der Schwelle von was?“ fragte sie müde.
    „Wegen dieser Frage liege ich wach“, stöhnte er.
    „Hm?“
    „Soph, dieser Planet ist ein Pulverfaß. Inzwischen hat jedes Dorf von der Revolution, von der Volksarmee und von der Wahnsinnskampagne gehört. Sie sollten in Massen zu uns strömen, aber sie tun es nicht. Da gibt es einen kleinen Faktor, einen winzigen Faden, an dem man unbedingt ziehen müßte, und diesen Faden finde ich einfach nicht …“
    „Warum fragst du nicht die alte Chromkuppel?“ schlug Sophie vor.
    „Willem?“
    „Klar. Sag mir nicht, daß du es nicht schon längst bemerkt hättest. Dem Kugelkopf gefällt dieser verdammte Schlammkloß. Endlich hat er Leute seines Schlages gefunden: blutdürstige Killer, Sadisten und

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