Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
machte. Er hörte auch kaum hin, als Maurice nun verdrossen darüber rä sonierte, was sie vielleicht anders hätten tun können. Gerolts Gedanken beschäftigten sich vielmehr mit Tarik und McIvor. Aber hauptsächlich drehten sie sich um Tarik, denn er war zuversichtlich, was McIvor anging. Der Schotte würde bestimmt irgendwann eine Gelegenheit finden, der lebenslangen Sklaverei durch Flucht zu entkommen oder sich freizukaufen. Was nun Tarik betraf, so hegte er nicht den geringsten Zweifel, dass ihr Freund den Verfolgern des Emirs entkommen war. Damit befand sich zumindest einer von ihnen in Freiheit. Aber je länger Gerolt über die Lage ihres Freundes nachdachte, desto weniger beneidete er ihn. Denn Tarik wusste natürlich, welche großen Erwartungen, auch wenn keiner sie ausgesprochen hatte, nun auf ihm lagen. Ganz allein auf seinen Schultern lag die Verantwortung für den Heiligen Gral. Aber zugleich lag auch ihr weiteres Schicksal in seiner Hand. Eine ungeheure Bürde, die auch dem tapfersten und zuversichtlichsten Gralsritter erdrückend erscheinen musste. Es war illusorisch zu glauben, ihr Freund, der in diesem fremden Land völlig auf sich allein gestellt war, könnte gleichzeitig versuchen, den heiligen Kelch aus dem Bauch der Galeere zu holen und sie aus dem Kerker des Emirs zu befreien. Jedes war schon für sich allein ein riskantes, lebensgefährliches und fast aussichtsloses Unterfangen. Aber beides erreichen zu wollen, wäre einfach irrwitzig. Wie würde Tarik also mit dem unausweichlichen Zwang zurechtkommen, sich für eines entscheiden zu müssen? Und wie würde seine Wahl ausfallen? Gerolt glaubte, die Antwort zu wissen, weil er sich an Tariks Stelle ebenso entschlossen hätte. Und das machte ihm alles andere als Mut und Zuversicht in dem feuchten, düsteren Kerkergewölbe.
1 1
Mit einem gehörigen Brummen im Schädel erwacht e Tarik aus der Bewusstlosigkeit. Noch halb benom men, ertastete seine Hand am Hinterkopf eine schmerzhafte Beule. Gleichzeitig nahm er Stimmen in seiner Nähe wahr, auch stieg ihm der unverkennbare Duft von frisch gebackenem Fladenbrot in die Nase. Und dann kehrte die Erinnerung an seine wundersame Flucht und den Moment zurück, als er mit dem Gefühl, seinen Häschern entkommen zu sein, an Land gekrochen und niedergeschlagen worden war. Die erschreckende Befürchtung, sich wieder in der Gewalt von Emir Turan el-Shawar Sabuni zu befinden, machte ihn mit einem Schlag hellwach. Seine Augenlider fuhren hoch und mit einem Ruck, der ihm einen feurig stechenden Schmerz durch den Kopf jagte, richtete er sich auf. »Allahu akbar! Groß ist der Barmherzige!«, sagte da eine näselnde Stimme zu seiner Linken. »Unser fremder Gast ist aus dem dunklen Reich der Träume erwacht. Ich habe doch gesagt, dass ihm nicht viel geschehen ist.« »Da hat er aber Glück gehabt«, sagte eine zweite Stimme, gefolgt von einem schmatzend schlürfenden Geräusch. »Allah ist gnädig gegen die Bewohner seiner Erde«, meldete sich sogleich eine Fistelstimme zu Wort. »Er ist es, der euch aus Ton gemacht und euch die Frist gesetzt hat. Spruch des Propheten!« »Lass es gut sein, Zahir! Wir wissen, dass es keine Moschee gibt, mit deren Matte du dich nicht schon bedeckt hast!«, sagte die schmatzende Stimme. »Aber nicht jeder, der ständig klopft und hämmert, ist auch ein Schmied!« Verwirrt blickte Tarik sich um und schon im nächsten Moment überkam ihn grenzenlose Erleichterung, als er feststellte, dass er nicht gefesselt war und sich auch nicht in einem Kerker des Emirs befand, sondern in einer Ruine. Er sah sich von einem halben Dutzend Säulen umgeben, die den kläglichen Rest einer Kuppeldecke trugen, und einer Menge Schutt, aus dem schon Gras und Unkraut wucherten. Jenseits davon ging der Blick ungehindert in den sternenübersäten Nachthimmel. Ein gutes Stück weiter unterhalb erblickte er das breite silbrige Band des Nils. Zu seiner Linken saßen in der Ecke der Ruine drei seltsame Gestalten in abgerissenen Gewändern um die Glut eines Feuers, das von einem Kranz aus Steinen umschlossen wurde und mit einem flachen Backstein abgedeckt war. Jeder der Männer trug ein Messer an der Hüfte. Sie hockten auf dreckigen, löchrigen Bastmatten. Hinter ihnen in der Ecke, wo sich die beiden noch stehenden Wände im rechten Winkel trafen, lagen einige dreckige Bündel und Decken. Einer von ihnen schlang gerade das wässrige Fruchtfleisch einer dicken Melonenscheibe in sich hinein. Die beiden anderen kauten
Weitere Kostenlose Bücher