Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Schwertgriff rührte sie sich plötzlich nicht mehr von der Stelle. Sie verharrte wie erstarrt über der Hüfte. »Was ist? Warum zögerst du?«, fragte Gerolt verwundert, der zur Linken seines schottischen Kameraden saß. »Nun zieh schon das Schwert! Wir wollen sehen, was er damit bezweckt.« »Ja, was ist, McIvor von Conneleagh?«, fragte auch Abbé Villard. »Du kannst es doch sonst mit jedem Gegner aufnehmen, nicht wahr? Hat dich auf einmal dein Mut oder deine Kraft verlassen?« Der Schotte wurde blass im Gesicht. »Ich . . . ich kann nicht!«, stieß er erschrocken hervor, während die Ader auf seiner Stirn anschwoll. »Wie sehr ich mich auch anstrenge, ich kann meine Hand nicht mehr bewegen! Weder vor noch zurück! Irgendetwas hält sie fest!« »Ich halte sie fest«, sagte Abbé Villard, der scheinbar völlig ent spannt in seinem Lehnstuhl saß. Doch auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen, trotz der Kühle, die aus den Mauern der Krypta drang. »Und ich werde jetzt dein Schwert ziehen! Also erschreckt euch nicht.« Fassungslos beobachteten die vier Ritter, wie nun McIvors Schwert wie von Geisterhand ergriffen aus der Scheide glitt, sich völlig von ihr löste, sich mehrfach um seine eigene Achse drehte und dann in der Luft in waagerechter Lage zur Ruhe kam. Dort verharrte die schwere Waffe schwebend im Raum. »Und um auch noch den letzten Zweifel bei euch auszuräumen, was Gott in meine Macht gestellt hat, will ich es nicht dabei belassen«, sagte Abbé Villard in die atemlose Stille. Im selben Augenblick erhob sich neben ihm das Kohlenbecken aus dem Ring des eisernen Ständers, stieg zur Gewölbedecke hoch und drehte sich mit seiner Unterseite nach oben, sodass die glühenden Kohlen herabregneten. Zu Tode erschrocken, wollten Gerolt und seine Freunde aufspringen, um sich vor der Glut in Sicherheit zu bringen. Doch keiner von ihnen vermochte sich zu bewegen. Eine unsichtbare Kraft, der sie nicht gewachsen waren, zwang sie auf ihre Stühle. Gleichzeitig wurde der Fall der Kohlen jäh gebremst. Sie formierten sich über dem Schwert zu einer gleichfalls in der Luft schwebenden, kreisrunden Glutscheibe. »Das sollte genügen«, sagte Abbé Villard trocken und schon schwebte das Schwert zu McIvor und in die Scheide zurück. Im nächsten Moment lagen auch wieder die glühenden Kohlen auf dem Eisenständer in ihrem Becken. »Der Allmächtige stehe uns bei!«, stieß Gerolt mit zitternder Stimme hervor und ein Schauer überlief ihn. Nun konnte es keinen Zweifel mehr daran geben, dass tatsächlich er dieses Wunder auf dem freien Feld bewirkt und sie damit vor dem sicheren Tod durch die Sarazenen bewahrt hatte. »Dessen könnt ihr gewiss sein«, versicherte Abbé Villard und lächelte verständnisvoll. Dabei klang er ein wenig außer Atem und der Schweiß auf Stirn und Schläfen war nicht zu übersehen. Er gab ihnen Zeit, die Fassung wiederzugewinnen, und er sparte auch nicht mit beruhigenden Worten. Sie hätten keinen Grund, sich nun vor ihm zu fürchten oder gar anzunehmen, dass er mit dem Teufel im Bunde sei, sondern Gottes Segen ruhe auf ihnen. Und dann erinnerte er sie an seine Worte, die er in der Nacht ihrer Rettung an sie gerichtet hatte. »Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr berufen seid? Es ist kein Zufall, dass ich eure Namen kenne und euch in der Nacht des Angriffs auf das Sarazenenlager zu Hilfe gekommen bin. Ich konnte nicht zulassen, dass euch etwas zustößt. Auf euch warten andere und viel wichtigere Aufgaben, als gegen die Muslims in die Schlacht zu ziehen.« »Wie können ausgerechnet wir von Gott berufen sein?«, fragte Maurice mit gequälter Miene. »Vor allem ich, der ich mehr Sünden begangen habe, als Mamelucken vor Akkon liegen, und der ich es als Sühne nicht einmal geschafft habe, im Kloster das Noviziat durchzustehen? Ich wäre doch der Letzte, den Gott für eine besondere Aufgabe erwählen und...und dem er einen . . . einen Boten schicken würde, den er mit einer so unglaublichen Macht ausgestattet hat wie Euch!« »Nein, du irrst«, widersprach McIvor da sofort leise und mit einem tiefen Schmerz in der Stimme. »Ich wäre der Letzte, Maurice, dem der Allmächtige diese große Gnade erweisen würde...bei der großen, unverzeihlichen Schuld, die ich in meiner Heimat auf mich geladen habe.« Er hielt dabei den kantigen und von Narben gezeichneten Kopf gesenkt, als schämte er sich, diese Worte überhaupt auszusprechen. Für einen kurzen Moment galt die Aufmerksamkeit seiner Freunde
Weitere Kostenlose Bücher