Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
ihm, lüfteten seine Worte doch ein wenig das Geheimnis seines Lebens und was ihn veranlasst hatte, Tempelritter zu werden. Bisher wussten sie nur, dass er einem alten Adelsgeschlecht entstammte, Schottland mit neunzehn Jahren verlassen und sich auf dem Kontinent in den drei folgenden Jahren bei einigen lokalen Kriegszügen als Söldner verdingt hatte, bevor er in den Orden eingetreten war. Mehr hatte ihnen McIvor, der mit sechsundzwanzig Jahren der Älteste von ihnen war, nicht über seine Vergangenheit erzählt. Er hatte sich da sehr wortkarg und verschlossen gezeigt. Nicht einmal der Wein hatte ihm die Zunge gelöst. Und als sie gemerkt hatten, dass er nicht über die Zeit vor seinem Eintritt in den Templerorden sprechen wollte, hatten sie das vorbehaltlos respektiert und auch keine weiteren Fragen gestellt. Warum einer das Gelübde ablegte und den Mantel mit dem Tatzenkreuz nahm, das gehörte im Orden zu dem wenigen, was ein Templer allein besitzen durfte. »Gottes Ratschluss ist wundersam und übersteigt immer wieder unser begrenztes, menschliches Fassungsvermögen«, erwiderte Abbé Villard auf die Einlassungen von Maurice und McIvor. »Er weiß um unsere Schuld, von der sich keiner auf Erden freisprechen kann. Auch deine schwere Verfehlung in der ungestümen Zeit deiner Jugend, McIvor von Conneleagh, ist ihm kein Geheimnis. Aber gilt Gottes Großmut und Liebe nicht schon immer ganz besonders den scheinbar Schwächsten und Unwürdigsten und wählt er nicht gerade unter ihnen diejenigen, die er zu einem herausragenden, verantwortungsvollen Dienst beruft?« »Ihr denkt jetzt sicher an Petrus und Paulus«, folgerte Gerolt.
Der alte Templer nickte. »Richtig. Hat er nicht Petrus, der Jesus doch dreimal feige verleugnet hat, seinem Verrat zum Trotz die Schlüsselgewalt auf Erden übertragen und ihn dazu bestimmt, der Felsen zu sein, auf dem sich unsere heilige Mutter Kirche gründet? Und hat er ihm nicht den eifrigen Christenverfolger Saulus an die Seite gestellt, der, von Gottes Berufung überwältigt und geläutert, als Paulus das Evangelium in die Welt hinausgetra gen, die Frohe Botschaft wie kein anderer verbreitet und furcht los das Martyrium des Blutzeugen auf sich genommen hat? Gott kennt unsere Schwächen, doch er weiß auch viel besser als wir selbst, was wirklich in uns steckt und zu welchem Dienst wir fä hig sind, wenn wir seinen Ruf vernommen und bedingungslos an genommen haben. Und jeder von euch hat die rufende Stimme Gottes ja schon in sich vernommen, der eine vielleicht weniger stark als der andere. Aber vernommen habt ihr seinen Ruf, sonst wärt ihr nicht in den Templerorden eingetreten.« »Es ist schon richtig, dass der Wunsch, Gott zu dienen, bei jedem von uns Anlass war, den Templermantel zu nehmen«, räumte Ge rolt ein. »Aber Ihr habt uns doch wohl kaum kraft Eurer besonde ren Macht vor den Sarazenen gerettet und uns an diesen unge wöhnlichen Ort bestellt, weil Ihr mit uns über unsere Berufung zum Leben eines Tempelritters sprechen wollt.« »Richtig, Ihr habt vielmehr von einem besonderen Dienst gespro chen«, pflichtete Maurice ihm bei. »Und dass angeblich Gottes Se gen auf uns ruhe.« Abbé Villard nickte. »So verhält es sich auch.« »Aber wieso ausgerechnet wir? Und was hat es mit diesem beson deren Dienst auf sich? Und wieso seid Ihr Euch überhaupt sicher, dass wirklich wir gemeint sind?«, stellte Tarik gleich mehrere Fra gen auf einmal.
»Auch würden wir gern erfahren, was es mit Euren blinden Dienern und dieser doch reichlich merkwürdigen, unvollendeten Kirche auf sich hat«, fügte Gerolt dann auch sogleich hinzu. »Zäumt man ein Pferd von hinten auf und setzt ein Ritter zuerst seinen Helm auf, wenn er sich zum Kampf rüstet?«, entgegnete Abbé Villard. »Nein, man hält sich an die sinnvolle Abfolge der einzelnen Schritte, wenn man es vernünftig machen und sich nicht verzetteln will. Also habt ein wenig Geduld und vertraut mir, dass ich weiß, was ich tue und wie ich es tue. Ihr werdet eure Antworten auf all diese Fragen erhalten, aber zur gegebenen Zeit.« »Also gut, dann erst mal keine Fragen mehr«, seufzte Maurice. »So sagt uns denn, was Ihr zu sagen habt.« »Nun, zuerst einmal möchte ich von euch wissen, was genau ihr über die Gründung und die vornehmlichen Aufgaben des Templerordens wisst!«, forderte Abbé Villard sie auf und fügte angesichts ihrer verständnislosen Mienen hinzu: »Ich weiß, das mag in euren Ohren töricht klingen, aber tut mir dennoch
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