Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Widerstand zu überwinden. Dann jedoch ließ sich das Ende des Knaufs ohne weiteren Kraftaufwand aus dem Griffstück drehen. Verwundert betrachteten sie das runde Siegel, das am Ende des gerade mal daumenlangen Knaufs wie eine kleine, aufgesetzte Münze zum Vorschein kam. »Das Siegel lässt sich aus dem Knauf herausdrehen, falls ihr es einmal ohne eure Waffe mit euch führen müsst«, erklärte Abbé Villard. »Aber das ist doch nur das offizielle Templersiegel!«, sagte McIvor irritiert, zeigte das Siegel doch die Umrisse von zwei Gestalten mit Schild und Lanze, die auf dem Rücken eines Pferdes saßen. Diese symbolische Darstellung sollte die Brüderlichkeit der Tempelritter unterstreichen. »Ja, aber nur auf den ersten Blick«, bemerkte Tarik. »Du musst schon etwas genauer hinsehen, wenn du auch die fünfblättrige Rose zwischen den Köpfen der beiden Reiter erkennen willst!« »Du hast recht!«, stieß McIvor hervor. »Da ist sie wieder, die Rose!« Abbé Villard lächelte. »Richtig, es ist nur ein winziges Detail, das man leicht übersieht, aber es findet sich ausschließlich auf dem Siegel der Geheimen Bruderschaft. Damit werdet ihr euch ausweisen oder nötigenfalls Dokumente versiegeln. Und nur wer euch dasselbe Siegel zeigt, verdient euer uneingeschränktes Vertrauen! Also lasst eure Schwerter nie aus den Augen und gebt das Siegel nie aus der Hand!« »Raffiniert!«, murmelte Maurice, während sie den Knauf nun wieder zurück in das Griffstück drehten. »Und jetzt lasst uns zum Altar treten«, forderte der alte Gralshüter sie auf. »Ihr werdet nun eure zweite Weihe erhalten, damit der Segen des Heiligen Geistes über euch kommt. Er wird in euch die göttlichen Kräfte wecken, die euch befähigen werden, das heilige Amt der Gralshüter mit Gottes besonderen Segnungen auszuüben.« »Heißt das, Ihr werdet uns jetzt den heiligen Kelch des letzten Abendmahls reichen?«, fragte Tarik aufgeregt. »So ist es.«
»Und was sind das für göttliche Kräfte?«, wollte Maurice wissen. »Werden wir dann so unglaubliche Wunder vollbringen können, wie Ihr sie zu unserer Rettung vor den Sarazenen bewirkt habt oder wie Bismillah und Dschullab sie vermögen?« Abbé Villard nickte. »Darauf wird es letztlich hinauslaufen, aber diese göttlichen Gnadengaben werden nicht gleich mit ganzer Macht zu eurer Verfügung stehen, sondern müssen erst in euch wachsen, und zwar bei jedem von euch unterschiedlich schnell. Auch wird der Heilige Geist in jeden von euch die Saat einer ande ren, ganz eigenen außergewöhnlichen Fähigkeit legen. Das Einzi ge, was euch allen gemeinsam geschenkt wird, ist, dass ihr nach der zweiten Weihe jede Sprache auf Gottes Erde verstehen und sprechen könnt.« »Wir werden wie die Jünger Jesu in fremden Zungen reden kön nen?«, stieß Gerolt hervor. »Genau das wird geschehen«, bestätigte Abbé Villard. »Doch seid gewarnt! Die besonderen Kräfte, mit denen ihr gleich gesegnet werdet und die euch Macht über die vier Elemente geben, entfal ten ihre Wirkung nur, wenn ihr als Gralshüter euren Dienst tut oder wenn euer Leben in Gefahr ist und ihr zugleich reinen Glau bens seid und den Willen des Herrn tut! Habt ihr dagegen eigen nützige Motive im Sinn, etwa weil ihr mit euren Künsten prahlen oder sonst einen persönlichen Vorteil erzielen wollt, dann wer den diese besonderen Gnadengaben eurem Willen nicht folgen. Und nun kommt!«
8
Bis in den tiefsten Seelengrund aufgewühlt, knieten die Ritter wenige Augenblicke später vor den Stufen des Altars. Was ihnen Abbé Villard eröffnet hatte, erschien ih nen trotz allem, was er und das blinde Brüderpaar ihnen mehr als einmal an göttlicher Macht demonstriert hatte, so unglaub lich, dass ihr Verstand sich nicht vorstellen konnte, dass nun auch sie bald zu ähnlich wundersamen Taten fähig sein sollten. In fremden Zungen sprechen, kraft des Willens Wind aufkom men und die Erde aufbrechen lassen, feurige Kohlen aus ihrem eisernen Bett heben und ein Schwert in der Luft schweben las sen? All das und wohl noch vieles andere mehr sollte bald in ih rer Macht stehen? Sie flüchteten vor dieser Ungeheuerlichkeit in das Gebet, mit dem der uralte Gralshüter ihre zweite Weihe einleitete. Auf der obersten Stufe kniend und die ausgebreiteten Arme nach oben gestreckt, zitierte er in freier Formulierung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther: »Brüder! Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet. Es gibt
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