Die Brücke am Kwai
begreifen. Sehen Sie von hier aus diesen Pfeiler im Wasser nahe am Ufer? Den habe ich mit einem Treibhammer einrammen lassen. Nun gut, er ist bereits sehr tief in den Boden eingedrungen, und noch immer haben wir keinen festen Grund gefunden.
Jedesmal, wenn man ihm von oben einen neuen Schlag versetzt, Sir, sinkt er noch tiefer ein, so wie alle Brückenpfeiler unter dem Gewicht des Eisenbahnzuges versinken werden, wofür ich jede Garantie übernehme. Man müßte Betonfundamente anlegen, und dafür haben wir nicht die Mittel.«
Der Oberst betrachtete aufmerksam den Pfeiler und erkundigte sich bei Reeves, ob es möglich sei, ihm den Versuch vorzuführen. Reeves gab einen Befehl. Einige Gefangene kamen heran und zogen an einem Seil. Eine schwere, an einem Gerüst aufgehängte Masse fiel zwei- oder dreimal auf den Pfahlkopf. Dieser sackte sichtbar immer tiefer.
»Sehen Sie, Sir«, triumphierte Reeves. »Wir könnten bis morgen weiterrammen, und es wäre immer dasselbe. Und bald wird er unter dem Wasser verschwunden sein.«
»Gut«, sagte der Oberst, »wieviel Meter ist er bis jetzt in den Boden eingesackt?«
Reeves gab die genaue Zahl an, die er sich aufgeschrieben hatte, und setzte hinzu, daß die längsten Dschungelbaumstämme nicht ausreichen würden, um einen festen Untergrund zu erreichen.
»Vortrefflich«, schloß Oberst Nicholson mit sichtbarer Befriedigung. »Das hier ist klar, Reeves. Das könnte, wie Sie sagen, ein Kind begreifen. Das ist eine Beweisführung von der Art, wie ich sie liebe. Also der Ingenieur ist nicht überzeugt gewesen? Ich für meine Person bin es; behalten Sie gut im Kopf, daß dies die Hauptsache ist. Welche Lösung schlagen Sie jetzt vor?«
»Die Brücke verlegen, Sir. Ich glaube, daß es ungefähr eine Meile von hier eine passende Stelle geben würde. Selbstverständlich muß man sich davon überzeugen .«
»Man muß sich davon überzeugen, Reeves«, sagte der Oberst mit ruhiger Stimme, »und mir dann die Zahlenangaben machen, damit ich die Leute überzeugen kann.«
Er notierte sich diesen ersten Punkt und fragte:
»Noch etwas, Reeves?«
»Das Baumaterial für die Brücke, Sir. Er läßt diese Baumstämme fällen! Unsere Leute haben mit einer gerissenen Auswahl begonnen, nicht wahr? Sie wußten zum mindesten, was sie taten. Aber bei diesem Unglücksingenieur ist es ja kaum besser, Sir. Er läßt unterschiedlos Bäume fällen, ohne darauf zu achten, ob die Hölzer hart, weich, starr oder biegsam sind und ob sie die Belastungen aushalten, denen sie ausgesetzt sein werden. Es ist eine Schande, Sir!«
Oberst Nicholson machte sich auf dem Stück Papier, das ihm als Notizbuch diente, einen zweiten Vermerk.
»Was gibt es noch, Reeves?«
»Ich habe mir das bis zum Schluß aufgehoben, weil es vielleicht das Wichtigste ist, Sir. Sie haben genau wie ich sehen können, daß der Fluß mindestens vierhundert Fuß breit ist. Die Uferböschungen sind hoch. Der Brückenbelag wird mehr als hundert Fuß hoch über dem Wasser liegen.
Es handelt sich doch um einen wichtigen Bau, nicht wahr? Das ist doch keine Spielerei? Nun gut, ich habe diesen Ingenieur mehrmals gebeten, mir seinen Bauplan zu zeigen. Er hat darauf auf seine Weise den Kopf geschüttelt, so wie es alle Leute machen, wenn sie in Verlegenheit sind… bis ich ihn kategorisch danach gefragt habe. Also… Sir, Sie können es mir glauben oder nicht, es gibt keinen Bauplan.
Er hat keinen Plan gemacht! Er hat auch nicht die Absicht, einen zu machen . Er hat auch nicht den Eindruck gemacht, als wüßte er, worum es sich handelt. Jawohl, er beabsichtigt, diese Brücke zu bauen, so wie man einen Steg über einen Graben anlegt; planlos werden Baumstämme eingerammt und darüber ein paar Planken gelegt! Das wird niemals halten, Sir. Ich schäme mich tatsächlich, Sir, bei einer solchen Sabotage mitzuwirken.«
Er war in einem solchen Zustand ehrlicher Empörung, daß Oberst Nicholson es für richtig hielt, einige beruhigende Worte zu äußern.
»Beruhigen Sie sich, Reeves. Sie haben recht daran getan, Ihren Kopf zu leeren, und ich verstehe Ihren Gesichtspunkt sehr gut. Jeder hat seine Selbstachtung.«
»Jawohl, Sir. Ich sage das in aller Aufrichtigkeit. Ich würde lieber eine noch schlimmere Behandlung über mich ergehen lassen, als an der Erschaffung dieser Mißgeburt mitzuhelfen.«
»Ich gebe Ihnen völlig recht«, sagte der Oberst und schrieb sich diesen letzten Punkt auf. »Dies ist in der Tat sehr schwerwiegend, und wir können die
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