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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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zutiefst erschüttert über das, was wir angerichtet hatten, auch wenn wir nicht angefangen hatten mit der Gewalt. Ich nahm die Hand des Mädchens neben mir, und als die anderen fragten, wohin wir wollten, sagte ich: ›Irgendwohin, wo kein Blut fließt.‹ Manche schlossen sich uns an, und wir stolperten durch das Blutbad, vorbei an verkohlten Leichen, herumliegenden Gliedmaßen, Leibern ohne Kopf, überall war nichts als Tod. Aus Johan Corins friedliebender Schar war ein blutrünstiger Mob mit entsetzlichen Kräften geworden, also gingen wir, knappe Hundert an der Zahl. Die anderen, die keine übernatürlichen Kräfte entwickelt hatten, wurden verstoßen, aber sie schlossen sich uns nicht an. Der Rest, der unter Sertains Führung auszog, das Rimonische Reich zu stürzen, um selbst das Ruder zu übernehmen, nannte sich fortan die Gesegneten Dreihundert.«
    Meiros seufzte schwer. »Uns blieb nichts anderes übrig, als zu fliehen. Wir schlugen uns durch die schlessischen Wälder und die Ebenen Sydias. Unterwegs mussten wir wieder kämpfen. Es war unvermeidlich, denn wann immer uns jemand entdeckte, diesen zerlumpten Haufen schutzloser Wanderer, versuchte er, uns zu versklaven. Gewaltfreiheit ist ein hehres Ideal, aber in dieser Welt ist es praktisch unmöglich, es umzusetzen. Doch wenigstens haben wir uns nicht an dem Gemetzel beteiligt, das Sertain in Rimoni angerichtet hat. Wenigstens waren wir besser als das.«
    Er blickte auf. »Frau, ich möchte nicht mehr länger von diesen Dingen sprechen. Nicht jetzt.« Einen Moment lang sah er aus wie ein erschöpfter alter Mann, sein Geist gebrochen und der Körper nur noch aufrecht gehalten von der leeren Verheißung, weiter zu existieren. Ramita spürte das Verlangen, ihn zu umarmen, ihm irgendwie Trost zu spenden.
    »Ich brauche dein Mitleid nicht, Mädchen«, knurrte Meiros unvermittelt. »Geh zurück in deine Kutsche. Ich will jetzt allein sein.«
    Am Abend des nächsten Tages erreichten sie das Ende der Wüste. Nachdem sie die Kamele wieder gegen Pferde eingetauscht hatten, kamen sie wesentlich schneller voran. Auf den festen steinigen Straßen rasten die Tage nur so an ihnen vorbei, oft ritten sie sogar die Nacht durch. Ramitas Sprachkenntnisse machten allmählich Fortschritte. Wenn sie einmal nachts anhielten, kam Meiros nicht zu ihr, sondern schloss die beiden Mädchen mit blauen Lichtbändern um die Türen herum in ihren Zimmern ein. »Wächter« nannte er diese Bänder. Sie sollten die beiden beschützen, aber der einzige Effekt, den Ramita erkennen konnte, war, dass die Türen kleine Fünkchen sprühten, wenn man sie öffnete.
    Drei Wochen vergingen. Sie umgingen die großen Städte und schliefen irgendwo auf dem Land. Eines Abends jedoch, Ramita döste gerade in der Kutsche, rüttelte Huriya sie aufgeregt aus dem Schlaf und rief: »Mita, Mita, sieh mal! Jos sagt, das ist Hebusal!« Sie zog den Vorhang zur Seite, und die beiden Mädchen blickten hinaus auf ein weites Tal. Es war ein Anblick wie aus einem Märchen: Überall leuchteten Kaminfeuer, Laternen und Fackeln, am Horizont erhob sich die Stadt, zwischen den Türmen der Paläste die gigantische Kuppel des größten Dom-al’Ahm in ganz Antiopia. Die Stadtmauer war so hoch, dass sie selbst aus dieser Entfernung zu erkennen war. Weißlich glitzernde Lampen erhellten die breiten Straßen, die zum Tor führten, überall liefen Menschen umher wie Ameisen in einem Bau. Es war atemberaubend.
    »Hebusal«, keuchte Ramita. Ihr neues Zuhause.
    Huriya warf ihr die Arme um den Hals. »Wir sind da, wir sind endlich angekommen! Bei den Göttern, ich hab schon geglaubt, die Reise würde nie zu Ende gehen. Ich bin so glücklich!«
    Ramita betrachtete ihre aufgekratzte Freundin. Ja, meine Schwester, das bist du. Ich wünschte, ich wäre es auch. Aber am liebsten würde ich sofort umkehren und nach Hause zurückfahren … Dennoch versuchte sie, ein fröhliches Gesicht zu machen.
    Die gewundenen Straßen waren voller Menschen, Jos und seine Männer gaben doppelt Acht. Das Geschrei von den Märkten war ohrenbetäubend. Überall sahen sie Soldaten aus Rondelmar. Sie trugen weiß-rote Wappenröcke mit einer goldenen Sonne auf der Brust. »Kaiserliche Legionäre«, kommentierte Meiros knapp. Sie wirkten grimmig, hart wie Stein, und einmal sah Ramita, wie sie einen Einheimischen brutal zur Seite stießen, weil er im Weg stand. Manche der Legionäre kannten Hauptmann Lem. Als sie ihn anriefen, hörte Ramita hier und da ein Wort, das

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