Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Zweifel hattest, Bruder, dann ist es jetzt an der Zeit, diese Zweifel abzulegen. Ahm ist mit uns, und er wird uns führen.«
Kazim blickte Jai an, der den Arm ungelenk um das runde Lakh-Mädchen geschlungen hatte, das mit seinen großen feuchten Augen so gar nicht für die gefährliche Wüste geschaffen schien. Sie hielt sich an ihm fest, als sei Jai ihr persönlicher Messias.
»Ich will zurück nach Hause«, sagte Jai niedergeschlagen.
Kazim seufzte. »Ich auch, Bruder. Aber ich bin hierhergekommen, um Ramita vor dem Ferang-Dämon zu retten. Und wenn Ahm mit mir ist, wird es mir auch gelingen.«
Ein leises Kichern hallte durch das schmale Tal. Kazim sprang auf die Füße, wandte sich hierhin und dorthin, den Säbel in der Hand.
Ein Schatten, den er für einen Felsen gehalten hatte, stand auf, und vor ihm stand Jamil. »Von welchem Dämon sprichst du, Kazim Makani?« Er hatte seinen Säbel gezückt und hielt ihn ohne erkennbare Anstrengung in der Hand. Keine Spur mehr von der Schnittwunde.
Wie kommt er hierher? Wie lange belauscht er uns schon? Kazim streckte ihm die Spitze seines Krummsäbels entgegen. »Bleib uns vom Leib!«
»Nicht so laut, Junge. Oder möchtest du, dass die Ingashiri dich hören?« Jamil steckte seinen Säbel zurück in die Scheide und kam näher, die leeren Hände nach vorn gestreckt. »Sieh her, ich komme in Frieden. Ich bin hier, um euch zu helfen.«
Kazim trat einen Schritt auf ihn zu. »Lügner! Du bist nur gekommen, um unser Wasser zu stehlen und das Mädchen. Sie kann nicht einmal mehr sprechen, du Schwein!«
Jamil blieb stehen. »Du tust mir unrecht, Junge. Ich habe dem Mädchen nichts getan. Zwei Tage nach unserem Aufbruch in die Wüste habe ich sie gefunden. So wie du sie vor dir siehst. Ein paar Narren hatten sie entführt und missbraucht. Deshalb habe ich sie unter meinen Schutz genommen. Ich bin nicht hier, um irgendetwas zu stehlen. Du magst es nicht glauben, aber ich hatte die ganze Zeit über ein Auge auf dich. Woher, glaubst du, hatte Jai all das Wasser? Wer hat den übelsten unter den freiwilligen Kämpfern eingeschärft, euch in Ruhe zu lassen? Wer hat dafür gesorgt, dass ihr nicht längst verhungert seid? Ich halte schon länger meine schützende Hand über dich, als du überhaupt von meiner Existenz weißt.«
»Du hast mir mit dem Stiefel ins Gesicht getreten!«
Jamil zuckte die Achseln. »Meine Befehle lauteten, mir meinen Auftrag nicht anmerken zu lassen. Aber es ist auch egal, ob du mir glaubst oder nicht. Wenn du überleben willst, kommst du mit mir.« Er blickte Jai an. »Und wenn dein Freund dem Mädchen etwas tut, schlitze ich ihn auf.«
»Jai tut keinem Mädchen etwas zuleide«, fauchte Kazim mit einer verächtlichen Geste. »Wir brauchen dich nicht.«
Jamil lachte trocken. »Nein? Ihr habt keine Ahnung, in welche Richtung ihr euch wenden sollt, könnt nicht mal richtig mit euren Pferden umgehen. Ich würde sagen, ihr braucht mich sogar unbedingt. Warum fragt ihr nicht euren frommen Freund, vielleicht war es Ahm höchstpersönlich, der mich zu eurer Rettung geschickt hat? Zumindest hätte er keinen Besseren schicken können: Ich habe unter den Ingashiri gelebt, und ich kenne die Wüste. Ich kann euch führen, sogar bis nach Hebusal.«
»Warum solltest du uns beschützen wollen?«, fragte Kazim.
Jamil lächelte. »Weil meine Befehle so lauten. Und wegen deines Vaters.«
Kazim erschauerte. »Wegen meines Vaters ?«
»Ja, Kazim, Sohn von Razir Makani. Mir wurde befohlen, ein Auge auf dich zu haben, nachdem du Baranasi verlassen hattest.« Er legte eine Hand auf den Griff seines Säbels. »Ich weiß, warum du dich der Fehde angeschlossen hast, und ich kenne sogar den Namen des ›Dämons‹, der deine Frau gestohlen hat.«
Kazim bekam eine Gänsehaut. Wer ist dieser Kerl? »Ich muss Ramita retten!«, rief er.
»In der Tat. Und ich kann dir dabei helfen. Wenn du mich lässt.«
Kazim sah Jai fragend an. »Stimmt das mit dem Wasser?«
Jai nickte beschämt. »Er hat gesagt, ich darf es dir auf keinen Fall erzählen.«
Kazim wandte sich wieder an Jamil. »Wie können wir dir vertrauen?«
Jamil warf ihm seinen Säbel vor die Füße und gleich darauf auch noch den Dolch aus seinem Gürtel. »Genügt das? Behalte sie, bis du bereit bist, mir zu vertrauen.«
»Dann wirst du sie eine ganze Weile entbehren müssen.« Kazim atmete tief durch. »Du sagst, du kennst den Namen des Rondelmarers, der mir Ramita gestohlen hat?«
»Das tue ich. Ich werde ihn dir
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