Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Männer waren gut in dem, was sie taten. Die Woche würde anstrengend, anspruchsvoll und gefährlich werden.
In Woche drei und vier war schließlich die Gnosis dran: grundlegende Energiemanipulation und Theorie, hermetische und theurgische Gnosis, dann in der letzten Woche Thaumaturgie und Zauberei. All ihre Lehrer würden mitmischen, und es erwartete sie ein großes Publikum: Anwerber der Kirkegar, der Volsai, der Legionen, der anderen Arkana und der Stadtwache. Auch andere, die Verwendung für einen Magus hatten, sahen zu: Kaufleute auf der Suche nach Leibwächtern und Beamte von anderen Schulen, die neue Lehrer brauchten. Es war ein großes Schaulaufen, der Tag, an dem anhand ihrer Leistung über ihre Zukunft entschieden wurde.
Allerdings nicht im Fall von Malevorn, Francis und Seth – ihre Zukunft war von Geburt an gesichert. Grons und Borons Stammbaum sprachen ebenfalls für sich. Ramon, einen Fremden, würden sie nur bestehen lassen, wenn er sich freiwillig für die Legion meldete. Nach seiner Dienstzeit konnte er als gemachter Mann in sein Heimatdorf zurückkehren. Er wäre der einzige Magus in seinem Heimatdorf, vielleicht sogar in der ganzen Region, denn es gab nicht viele in Rimoni.
Für Alaron, einen weiteren Magus aus der Stadt, der weder einer angesehenen Familie entstammte noch besonders reines Blut hatte, würde es schwerer werden. Viertelblute gab es wie Sand am Meer, viele von ihnen waren unehelich. Die meisten fanden sich als Schlachtmagus an vorderster Front wieder – ein willkommenes Ziel für Armbrust- und Bogenschützen und nicht einmal von den eigenen Soldaten sonderlich geschätzt. Die meisten machten es nicht lange. Vann Merser wollte, dass sein Sohn einen weiten Bogen um die Legion machte. All die Jahre hatte er versucht, ihn für den Handel zu begeistern, aber Alaron hatte Träume, und in diesen Träumen ging es um große Taten, Heldentaten in der Schlacht, um Ruhm und Anerkennung. Um die Anerkennung der anderen Magi, vor allem der Reinen, und eines ganz bestimmten rimonischen Mädchens.
Was kostet die Hand deiner Tochter?
Die Abstammung der Magi
Die Gesegneten Dreihundert, die ersten Magi, machten sich daran, ihre neu gewonnenen Kräfte zu erproben und das Rimonische Reich zu stürzen. Als sie sich fortpflanzten, stellten sie fest, dass die Gnosis vererbbar war: Magi zeugten Magi, und die Zauberkraft der Kinder hing von der Menge an Magusblut ab. Neue Dynastien wurden gegründet, je reiner, desto besser. Doch stellten sie ebenso fest: je reiner das Blut, desto geringer die Fortpflanzungskraft der Nachkommen. Um also die Zahl an Magi zu zeugen, nach denen das Reich verlangte, waren sie angehalten, auch mit gewöhnlichen Menschen Kinder zu haben. Fortan herrschten die wenigen Familien reinen Blutes über die anderen, welche sie als »von geringerem Blut« verachteten und auf deren Dienste als Schlachtmagi in den Legionen sie doch angewiesen waren.
Ordo Costruo, Pontus
Aruna-Nagar-Markt in Baranasi,
Nordlakh, Antiopia
Rami 1381 (nach yurischer Zeitrechnung:
Septnon 927)
10 Monate bis zur Mondflut
Selbst wenn Ispal Ankesharan blind und taub gewesen wäre, hätte er allein am Geruch erkannt, wo er war: auf dem Markt von Aruna Nagar. Jeder Duft war ihm vertraut, die Gewürze, der Kaffee, der Tee, der Gestank von Schweiß und Urin. Es war der größte Markt in ganz Baranasi, dem Juwel von Lakh. Es war ein Pilgerort, gelegen an einer Biegung des Flusses, den einst der Elefant Gann mit Wasser aus seinem heiligen Rüssel gefüllt hatte. Bis zum heutigen Tag floss er langsam und majestätisch durch die roten Ebenen, hin zum Saum des unüberwindlichen Ozeans. Dies war der Ort, an dem Ispal alles kaufte und verkaufte, von dem er glaubte, er könne einen Gewinn damit erzielen. Dies war die Arena, in der er mit Kunden und Lieferanten Wortgefechte austrug, sich Freunde oder Feinde machte, lebte und liebte. Es war seine Heimat, in der er lachte und weinte und den Tausend Göttern der Omali für sein erfülltes Leben dankte.
Denn Ispal Ankesharan hatte alles: Er lebte in einer wundervollen Gemeinschaft, konnte sich der Liebe seiner Götter sicher sein, hatte eine pflichtbewusste Frau und viele Kinder, die seinen Namen weitertragen und für ihn beten würden, wenn er selbst nicht mehr war. Sein Haus stand nicht weit vom heiligen Fluss Imuna. Er war arm genug, um sich nicht den Argwohn der Mächtigen zuzuziehen, aber immer noch reich genug, dass andere ihn und seine Familie beneideten. Er führte
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