Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
wenigstens für diesen einen kleinen Moment, dann richtete sie sich ohne Eile wieder auf.
Lorenzo lächelte triumphierend: Er war der Erste, dem es gelungen war, der Hexe einen Kuss abzuringen. Elena bereute schon jetzt, dass sie ihn hatte gewähren lassen.
Das Gesicht des Ritters wurde wieder ernst. »Warum hat er das getan, Ella? War er allein, oder hat er auf Befehl gehandelt?«
Elena schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, log sie. »Noch nicht, aber ich versuche, es herauszufinden.«
Lorenzo nickte ein wenig ungläubig, und Elena erhob sich. Wieder zu gehen war schwerer, als sie gedacht hatte. Für diesen kurzen Augenblick hatten sich seine starken Arme angefühlt wie eine Trutzburg, wie eine Zuflucht inmitten des Sturms, der um sie herum tobte. Nein. Ich kann mir keine solche Schwäche leisten …
»Schlaft Euch aus, Lori.« Dann verließ sie das Zimmer.
Cera und Timori saßen an der großen Tafel, Timori auf einem Kissen. Elena stand hinter Ceras Stuhl, die rechte Hand auf dem Schwertknauf. Ihre Unterschenkel waren vernarbt, taten aber nicht mehr weh. Sie fühlte sich ausgelaugt und müde, Schuldgefühle zehrten an ihr. Die Bewunderung, die ihr alle entgegenbrachten, machte es nur noch schlimmer.
Harshal al-Assam und Paolo Castellini waren da sowie ein Dutzend anderer Vertreter beider Völker, Adlige und Beamte, Heilige und Sippenoberhäupter. Die meisten davon kannte sie, wenn auch nicht gut. Elena sah, dass Cera etwas zitterte. Sie hatte Angst, war aber fest entschlossen – ganz die Tochter ihres Vaters. Wie stolz er wäre, wenn er sie so sehen könnte. Wenn er noch am Leben wäre. Wer weiß, vielleicht …
Ein junger Amteh-Priester sprach einen Segen, danach ein Sollan-Drui mit buschigem Bart. Dann beteten sie alle gemeinsam, baten um Kraft und Mut, um Gottes Segen für die Sündigen, für den Prinzen und die Prinzessin. Elena warf Cera ein aufmunterndes Lächeln zu. Am Morgen hatten sie alles besprochen, die wichtigsten Männer und Meinungsführer ausfindig gemacht und ihnen erklärt, was passieren würde. Alle hatten erwartet, dass Cera in den Hintergrund treten und es ihnen überlassen würde, die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen. Doch zu Elenas Überraschung hatte auch keiner irgendwelche Einwände dagegen vorgebracht, dass Cera die Führungsrolle übernahm. Es war, als wären sie dankbar, jemanden zu haben, unter dessen Banner sie sich versammeln konnten. »Ihr seid die Männer, denen mein Vater am meisten vertraut hat«, hatte Cera zu ihnen gesagt. »Ich bin die Tochter meines Vaters, und ich bitte Euch hiermit, mir jetzt ebenso zu vertrauen.« Elena hatte Widerspruch erwartet, aber es kam keiner. Vielleicht waren sie wegen ihrer Gegenwart eingeschüchtert.
Cera sprach vor der Versammlung, als habe sie ihr Leben lang nichts anderes getan: »Edle Herren, wir sind hier zusammengekommen, um eine Beratung in höchster Not abzuhalten. Ich habe Boten nach Brochena entsandt, um die Lage dort zu überprüfen, aber es wird eine Zeit dauern, bis wir eine Antwort erhalten. Meine Leibwächterin Elena hat ebenfalls ihre Kräfte benutzt, aber auch sie konnte nicht herausfinden, ob mein Vater, der König, noch lebt. Oder meine jüngere Schwester.«
Einige der Anwesenden öffneten den Mund, um Fragen zu stellen, aber Cera gebot ihnen mit erhobener Hand zu schweigen. Wie sehr sie schon aussieht wie eine Königin, dachte Elena. Wie stolz Olfuss auf sie wäre!
»Ich hoffe inständig, dass das Attentat eine Einzeltat war«, sprach Cera weiter, »aber ich befürchte, das ist nicht der Fall. Wir haben starken Grund zu der Annahme, dass die gesamte Aktion von langer Hand vorbereitet wurde, um die Nesti zu entmachten und einen Umsturz herbeizuführen. Ich gehe ebenfalls davon aus, dass der Anschlag eine direkte Reaktion auf die Haltung meines Vaters zur Blutfehde war. Im Moment bleibt mir nichts anderes, als zu hoffen, dass wir bald die Nachricht erhalten, dass mein Vater in Sicherheit ist, aber tief in meinem Herzen fürchte ich, wir sind auf uns allein gestellt und befinden uns bereits mitten im Krieg.«
Reicher Lohn
Religion: Omali
Und hierin liegt das Mysterium: Es gibt nur einen Gott und viele Götter, denn alle Götter sind Aum, und Aum ist die Gesamtheit aller Götter.
Samadhisutra (Pfad der Erleuchtung),
heiliges Buch der Omali
Baranasi in Nordlakh, Antiopia
Shawwal 1381 (Okten 927 nach yurischer
Zeitrechnung)
9 Monate bis zur Mondflut
Trotz Tod und Zank in Ramitas Familie und obwohl
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