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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Morgen-Aussehen und ein Abend-Aussehen, und
Chef-Ingenieur Arrols Tochter strahlt im Augenblick entschieden
Frische aus.
    »Kann ich Sie mitnehmen?«
    »Ihre Gesellschaft zu genießen, wäre mir in jedem
Fall eine hohe Ehre.« Ich vollführe eine abgekürzte
Version ihrer übertriebenen Verbeugungen. Sie lacht, tief in der
Kehle, wo für gewöhnlich Männer lachen. Der
Rikscha-Junge beobachtet uns mit verärgertem Gesicht. Er zieht
seinen Abakus aus dem Gürtel und läßt die Kugeln
absichtlich geräuschvoll klicken.
    »Sie sind galant, Mr. Orr«, versichert Miss Arrol und
nickt. »Aber würden Sie meine Gesellschaft nicht lieber im
Sitzen genießen?«
    Ich bin entwaffnet. »Mit Vergnügen.« Ich steige in
das leichte Fahrzeug. Miss Arrol, in Stiefeln, Hosenrock und einer
dunklen, schweren Jacke, rückt zur Seite, macht mir Platz. Der
Rikscha-Junge gibt ein lautes »Tuut« von sich und beginnt
aufgeregt zu reden und zu gestikulieren. Abberlaine Arrol antwortet
in der gleichen wortreichen Sprache und macht ebenfalls
Handbewegungen. Der Junge legt die Holme mit einem weiteren lauten
»Tuut« ab und marschiert in ein Caf auf der anderen Seite
der Holzbohlen-Straße.
    »Er will einen zweiten Jungen holen«, erklärt Miss
Arrol. »Die höhere Geschwindigkeit ist das Extrageld
wert.«
    »Ist das auch ungefährlich bei diesem Nebel?« Ich
spüre, wie der Gegenwert eines halben Sitzes an Wärme von
der kleinen gepolsterten Bank unter mir durch meinen Mantel
dringt.
    Abberlaine Arrol schnaubt: »Natürlich nicht!« Sie
kneift die Augen – mehr grün als grau in diesem Licht
– zusammen, ihr schmaler Mund verzieht sich auf der einen Seite.
»Das macht den Spaß ja zur Hälfte aus.«
    Der Junge kommt mit einem zweiten zurück, jeder faßt
einen Holm, und mit einem Ruck werden wir in den Nebel
hineingerissen.
    »Ein Gesundheitsspaziergang, Mr. Orr?«
    »Nein, ich komme von einem Besuch bei meinem Arzt.«
    »Wie kommen Sie voran?«
    »Ruckweise. Mein Arzt will mich jetzt hypnotisieren. Langsam
zweifle ich an der Nützlichkeit der Behandlung, wenn man es eine
Behandlung nennen kann.«
    Miss Arrol sieht mir auf die Lippen, wenn ich spreche, was ich
sympathisch, aber merkwürdig beunruhigend finde. Jetzt
lächelt sie breit und sieht nach vorn, wo die beiden Jungen sich
abmühen, sich durch die Nebelschwaden kämpfen, die Leute zu
beiden Seiten auseinanderfegen. »Sie müssen Vertrauen
haben, Mr. Orr«, sagt Miss Arrol.
    »Hmm.« Für einen Augenblick sehe auch ich mir unser
halsbrecherisches Dahinrasen durch die graue Wolke an. »Ich
wäre eher geneigt, meine eigenen Forschungen
durchzuführen.«
    »Ihre eigenen, Mr. Orr?«
    »Ja. Sie haben wohl noch nie von der Dritten Bibliothek
für Archivmaterial der City und historisches Material
gehört?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
    Die Rikscha-Jungen rufen; wir kurven um einen alten Mann in der
Mitte der Straße und verfehlen ihn um weniger als einen
Fuß. Die Rikscha neigt sich, so daß ich gegen Miss Arrol
gedrückt werde, richtet sich dann wieder auf.
    »Anscheinend haben die meisten Leute nie davon gehört,
und die übrigen können sie nicht finden.«
    Miss Arrol zuckt die Achseln, späht mit zusammengekniffenen
Augen in den Nebel. »Das gibt es«, stellt sie sachlich
fest. Sie streift mich mit einem Blick. »Ist sie das Ziel Ihrer
Forschungen, Mr. Orr?«
    »Nein, ich würde gern mehr über das Königreich
und die City wissen, über das, was nicht zur Brücke
gehört…« Ich suche in ihrem Gesicht nach einer
Reaktion, doch sie konzentriert sich auf den Nebel und die
Straße vor uns. Ich fahre fort: »… aber das
würde mich wahrscheinlich zwingen zu reisen, und in dieser
Beziehung bin ich Beschränkungen unterworfen.«
    Sie wendet sich mir mit hochgezogenen Brauen zu. »Also ich
habe einige Reisen gemacht. Vielleicht…«
    »Platz!« schreit unser ursprünglicher
Rikscha-Junge. Miss Arrol und ich sehen nach vorn. Direkt vor uns ist
eine Sänfte quer über die enge Holzbohlen-Straße
geparkt. Zwei Männer halten die eine ihrer gebrochenen Stangen.
Sie werfen sich auf die Seite. Gleichzeitig versuchen unsere beiden
Jungen zu bremsen, indem sie die Fersen einstemmen. Aber wir sind zu
nahe; die Jungen schwenken, und wir beginnen zu kippen. Miss Arrol
wirft einen Arm über meine Brust – ich glotze
blödsinnig geradeaus –, und unsere Rikscha schlittert
quietschend und krachend in die Flanke der Sänfte. Miss Arrol
wird gegen mich geschleudert. Die Kante des

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