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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hier eine
neue Technik vonnöten ist.«
    »Was für eine neue Technik?«
    »Hypnose.« Dr. Joyce lächelt onkelhaft. »Das
ist der einzige Weg durch die nächste Mauerreihe und vielleicht
gleich bis zum Turm.« Er bemerkt mein Stirnrunzeln. »Es
wäre nicht schwierig; ich glaube, Sie würden eine gute
Versuchsperson abgeben.«
    »Tatsächlich?« Ich zögere.
»Nun…«
    »Möglicherweise ist das der einzige Weg
vorwärts«, nickt er. Der einzige Weg vorwärts? Ich hatte gedacht, wir versuchten zurückzugehen.
    »Sind Sie sicher?« Darüber muß ich erst
nachdenken. Wieviel will Dr. Joyce? Wieviel will er von mir?
    »Ganz sicher«, antwortet der Doktor. »Vollkommen
überzeugt.« Eine solche Emphase!
    Ich spiele mit meinem Armband herum. Ich werde ihn um Zeit zum
Nachdenken bitten müssen.
    »Doch vielleicht möchten Sie erst darüber
nachdenken«, sagt Dr. Joyce. Ich verrate keine Erleichterung.
»Außerdem«, fügt er hinzu und sieht auf seine
Taschenuhr, »habe ich in einer halben Stunde eine Konferenz, und
ich möchte die nächste Sitzung mit Ihnen zeitlich nicht
befristen, so daß jetzt vielleicht nicht der günstigste
Augenblick ist.« Er fängt an aufzuräumen, legt den
Notizblock auf den Schreibtisch, sieht nach, ob sein kleiner
silberner Drehbleistift fest in der Brusttasche steckt. Er nimmt die
Brille ab, haucht die Gläser an, poliert sie mit dem
Taschentuch. »Sie haben«, sagt er,
»außergewöhnlich lebhafte und…
zusammenhängende Träume. Eine bemerkenswerte Fruchtbarkeit
des Geistes.«
    Zwinkern seine Augen jetzt, oder glitzern sie? »Das ist fast
zu freundlich von Ihnen, Doktor«, sage ich.
    Dr. Joyce braucht einen Augenblick oder zwei, um das in sich
aufzunehmen, aber dann lächelt er. Ich verabschiede mich,
pflichte dem guten Doktor bei, daß der Nebel lästig sei.
Ich überstehe das Spießrutenlaufen durch den angebotenen
Tee und Kaffee, alberne Bemerkungen und makellose Gepflegtheit im
Vorzimmer ohne ernsthafte psychische Schäden.
    Als ich gehe, wird Mr. Berkeley von seinem Polizisten
hereingeführt. Mr. Berkeleys Atem riecht nach Mottenkugeln. Ich
kann nur annehmen, daß er meint, eine Kommode zu sein.
     
    Ich gehe die Keithing Road entlang, durch die wirbelnden Wolken,
die sich auf uns niedergesenkt haben. Die Straßen werden in dem
Nebel zu Tunneln, die Lampen der Läden und Cafs werfen ein
verschwommenes Licht auf die Leute, die wie undeutlich zu erkennende
Geister aus den Schwaden auftauchen.
    Unter mir sind die Züge zu hören. Hin und wieder
wälzt sich ein dicker Rauchklumpen von dem Zugdeck nach oben.
Die Züge heulen wie verlorene Seelen. Der Verstand kann nicht
umhin, ihre gequälten Schreie auf seine eigene Art zu deuten;
vielleicht sind die Dampfpfeifen so entworfen worden, daß sie
eine animalische Saite berühren. Von dem unsichtbaren
Fluß, Hunderte von Fuß tiefer, rufen Nebelhörner in
einem tieferen, noch länger anhaltenden Chor eine unheilvolle
Warnung herauf, als sei jede Stelle, von der sie ertönen,
bereits Schauplatz einer schrecklichen Schiffskatastrophe und die
Hörner dort zur Klage für längst ertrunkene Seeleute
aufgestellt.
    Eine Rikscha platzt wütend aus dem Nebel, im voraus
angekündigt durch die quietschenden Hupen in den Absatzschuhen
des Jungen. Ein Zündholz-Mädchen läuft der
vorbeirasenden Rikscha aus dem Weg. Ich drehe mich um, sehe im Korb,
in der schwarzen Tiefe des Fahrzeugs ein weißes Gesicht,
umrahmt von dunklem Haar. Ich möchte schwören, die Dame
habe meinen Blick erwidert. Ein trübrotes Licht schimmert von
der Rückseite der Rikscha durch den Nebel. Es verschwimmt, und
dann erklingt ein Ruf, die quietschenden Absatzhupen werden
langsamer, bleiben stehen. Ich gehe weiter und komme zu dem
stehengebliebenen Fahrzeug. Das weiße Gesicht, das durch den
Dunst leuchtet, späht um den Baldachin der Rikscha.
    »Mr. Orr!«
    »Miss Arrol.«
    »Welch eine Überraschung. Anscheinend fahre ich in Ihrer
Richtung.«
    »In großer Eile.« Ich stehe neben dem
zweirädrigen Fahrzeug; der Junge zwischen den Holmen sieht mich
keuchend an, sein Schweiß schimmert in dem diffusen Licht einer
Straßenlaterne. Abberlaine Arrol ist errötet, ihr
weißes Gesicht ist, aus der Nähe betrachtet, beinahe
rosig. Es entzückt mich auf seltsame Weise, diese deutlichen
Fältchen unter ihren Augen zu sehen. Vielleicht hat sie sie
immer (oder es ist gestern abend wieder beim Trinken spät
geworden). Ob sie sich jetzt erst auf den Heimweg macht? Aber nein,
es gibt ein

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