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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ich bin gottverdammt stolz darauf. Es
tut mir leid, daß ich soviel fluche, aber ich stehe im
Augenblick unter starkem Druck (Marmela, Parmela, Wagenbrot,
Ladendroht). Ich bin nicht gesund, wissen Sie. Ich kann es
beweisen, lassen Sie mich nur das Band zurückspulen…
    In aller Eile ins Krankenhaus gebracht, oben Scheinwerfer.
Große weiße gleißende Lichter am Himmel,
Notoperation, Situation kritisch blablabla (zum Teufel mit dem Kerl,
ich bin immer kritisch gewesen), Zustand stabil (das ist ein
Wort; erst vor kurzem hat das alles angefangen), bequem (nein, ich
habe es, verdammt noch mal, nicht bequem, hätten Sie es hier
bequem?). Wieder schnell vorwärts Punkt Punkt Punkt.
    – Zum Henker, Sie wollen sich meine Probleme nicht
anhören (und ich will mir ganz bestimmt Ihre nicht
anhören), also wie wäre es, wenn ich jetzt meinen Freund
hier vorstellte, ein alter Kumpel von mir, dem könnten Sie
    Geisterstadt  –
    ruhig Junge. Wie ich gesagt habe, ich und dieser Mann gehen ein
Stück zurück, und ich möchte ihm eine richtige
    Geisterstadt. Richtige Stadt der –
    Okay, okay, machen Sie schon voran, verdammt noch mal
    … Schweinehunt.

 
     
     
     
     
     
     
    Geisterstadt. Eine richtige Stadt, aus Steinen gebaut, ein
großer grauer Ort der engen Gassen und scharfen Winde,
abwechselnd alt, neu und festlich, zwischen dem Fluß und den
Bergen mit ihrem eigenen Steinstumpf, diesem erstarrten Fluß,
diesem abgebrochenen Pflock uralter Materie, der ihn faszinierte.
    Er zog in die Sciennes Road, einfach weil ihm der Name gefiel,
ohne das Haus zu kennen. Die Wohnung lag bequem für den Weg
sowohl zur Universität als auch zum Institut, und wenn er das
Gesicht gegen das Fenster seines kalten Zimmers mit der hohen Decke
drückte, konnte er gerade die eine Ecke der Klippen sehen,
grau-braune Furchen über den Schieferdächern und dem Rauch
der Stadt.
    Nie würde er vergessen, mit welchem Gefühl der Freiheit
ihn die Tatsache, auf sich allein gestellt zu sein, in diesem ersten
Jahr erfüllte. Zum ersten Mal hatte er sein eigenes Zimmer,
eigenes Geld, das er ausgeben konnte, wie es ihm beliebte, er kaufte
sich sein Essen selbst, ging, wohin er wollte, und traf
Entscheidungen. Es war herrlich, es war großartig.
    Zu Hause war er im Westen des Landes, in dem industriellen
Herzland, mit dem es bereits bergab ging, das an billigem Fett
versandete. Dort hatte er gelebt, Mum und Dad und Brüder und
Schwestern und er, in einem Rauhputzhaus unterhalb der niedrigen
Hügel, gerade noch in Sichtweite des Rauches und der mit
flatternden Dampffahnen geschmückten Schornsteine oberhalb der
Eisenbahn-Werkstätten, wo sein Vater arbeitete.
    Sein Vater hielt Tauben in einem Schlag auf einem unbebauten
Grundstück. Auf diesem Gelände standen ein Dutzend oder
mehr Taubenhäuser, alle hoch und mißgestaltet und
ungeplant und aus mattschwarz angestrichenem Wellblech. Im Sommer,
wenn er seinem Vater dort half oder den leise gurrenden Vögeln
zusah, war der Schlag sehr heiß, und die mit Federn und Kot
bedeckten Kammern kamen ihm wie eine dunkle, an Gerüchen reiche
andere Welt vor.
    In der Schule kam er gut zurecht, obwohl es natürlich
hieß, er könne mehr leisten. In Geschichte war er Erster,
weil er es wollte. Das genügte. Er würde einen Zahn
zulegen, wenn er mußte. Inzwischen spielte er und las und
zeichnete und sah fern.
    Sein Vater verletzte sich bei der Arbeit und war anderthalb Jahre
lang bettlägerig. Seine Mutter ging in die Zigarettenfabrik
arbeiten (seine Schwestern und Brüder waren alt genug, um nach
den anderen zu sehen). Sein Vater erholte sich und wurde mehr oder
weniger wieder der Mann, der er gewesen war – wurde vielleicht
ein bißchen schneller ärgerlich –, und seine Mutter
machte Teilzeitarbeit, bis sie Jahre später wegen Arbeitsmangel
entlassen wurde.
    Er liebte seinen Vater, bis er sich seiner ein bißchen
schämte, so wie er sich seiner ganzen Familie ein bißchen
schämte. Sein Vater lebte für den Fußball und den
Zahltag; er hatte alte Platten von Harry Lauder und von verschiedenen
Blaskapellen, und er konnte ungefähr fünfzig der
bekanntesten Gedichte von Burns auswendig. Natürlich
gehörte er der Labour-Partei an, immer treu, aber wachsam, immer
in Erwartung des Verrats, der Täuschung, der Lüge. Er
behauptete, seines Wissens niemals auch nur eine Viertelpinte in
Gesellschaft eines Tory getrunken zu haben, ein paar Gastwirte
möglicherweise ausgenommen, von denen er um der guten Sache

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