Die Brücke
Rikscha-Daches
schlägt mir auf den Kopf. Für eine Sekunde leuchtet etwas
in dem Nebel auf. Dann erlischt es.
»Mr. Orr, Mr. Orr? Mr. Orr?«
Ich öffne die Augen. Ich liege auf dem Boden. Es ist sehr
grau und sehr seltsam. Leute umringen mich und betrachten mich. Eine
junge Frau mit Fältchen unter den Augen und langem dunklen Haar
steht neben mir.
»Mr. Orr.«
Ich höre das Geräusch von Flugzeugmotoren. Ich höre
das anschwellende Dröhnen dieser Flugzeuge, die durch den Nebel
über dem Meer fliegen. Ich liege da und lausche und frage mich
(kann mir aber, was frustrierend ist, nicht antworten), in welche
Richtung sie fliegen (das scheint wichtig zu sein).
»Mr. Orr?«
Das Geräusch der Flugzeugmotoren verklingt. Ich warte darauf,
daß die dunklen, am Himmel dahintreibenden Flecke der sinnlosen
Signale aus dem sich schwach bewegenden Nebel auftauchen.
»Mr. Orr?«
»Ja?« Mir ist schwindelig, und meine Ohren erzeugen ein
Geräusch wie von einem Wasserfall.
Lichter zeigen sich in dem Nebel wie verschmierte
Bleistiftmarkierungen auf grauem Papier. Eine zerschmetterte
Sänfte und eine zusammengebrochene Rikscha liegen in der Mitte
der Straße. Zwei Jungen und zwei Männer streiten
miteinander. Die junge Frau, die neben mir kniet, ist schön,
aber ihre Nase blutet. Rote Tropfen sammeln sich unter ihr, und ich
sehe, daß sie bereits Blut abgewischt und es auf ihrer linken
Wange eine rote Schmierspur hinterlassen hat. Ein warmes Glühen
wie ein rotes Licht innerhalb des Nebels erfüllt mich von innen,
als mir klar wird, daß ich diese junge Frau kenne.
»Oh, Mr. Orr, es tut mir so leid, sind Sie in Ordnung?«
Sie schnüffelt, wischt sich wieder Blut von der Nase. Ihre Augen
glitzern in dem diffusen Licht, ich glaube jedoch nicht, daß
das von Tränen kommt. Sie heißt Abberlaine Arrol, erinnere
ich mich jetzt. Erst dachte ich, es drängten sich noch andere
Leute um mich, aber da ist niemand außer ihr. Leute erscheinen
aus dem Nebel, um sich die zertrümmerten Transportmittel
anzusehen.
»Mir geht es gut, mir geht es ausgezeichnet.« Ich setze
mich hoch.
»Sind Sie sicher?« Miss Arrol hockt sich neben mir auf
die Fersen. Ich nicke, spüre meinen Kopf. Die eine Schläfe
ist ein bißchen empfindlich, aber da ist kein Blut.
»Ganz sicher.« Tatsächlich ist alles ein
bißchen weit weg, aber ich fühle mich nicht schwach. Ich
habe immer noch die Geistesgegenwart, in die Tasche zu fassen und
Miss Arrol mein Taschentuch anzubieten. Sie nimmt es und betupft
damit ihre Nase.
»Danke, Mr. Orr.« Sie hält sich das weiße
Tuch unter die Nase. Die Rikscha-Jungen und die
Sänftenträger schreien sich an und beschimpfen sich.
Weitere Leute laufen zusammen. Ich komme, gestützt von dem
Mädchen, zitterig auf die Füße.
»Wirklich, mir fehlt nichts«, versichere ich. Das
Brausen in meinen Ohren hält noch eine Weile an, wird
allmählich schwächer.
Wir gehen zu den Trümmern hinüber. Sie sieht mich an,
spricht durch das Taschentuch. »Dieser Schlag auf den Kopf hat
Ihnen Ihre Erinnerung wohl nicht zurückgebracht?« Es
klingt, als habe sie Schnupfen. Ihre Augen blicken schelmisch. Ich
schüttle vorsichtig den Kopf. Miss Arrol sieht unter das Verdeck
der Rikscha, zieht eine dünne Ledertasche hervor und stellt sie
auf den Boden.
»Nein«, antworte ich nach einigem Überlegen (es
hätte mich nicht im geringsten verwundert, festzustellen,
daß ich noch mehr vergessen habe). »Wie ist es mit Ihnen?
Sind Sie in Ordnung? Ihre Nase…«
»Sie blutet leicht«, wehrt Miss Arrol ab.
»Gebrochen ist sie nicht. Ansonsten habe ich nur ein paar blaue
Flecken.« Sie hustet, es sieht aus, als krümme sie sich vor
Schmerzen, und dann merke ich, daß sie lacht. Sie
schüttelt heftig den Kopf. »Es tut mir leid, Mr. Orr, das
ist alles meine Schuld. Ich bin verrückt nach
Geschwindigkeit.« Sie hält die Ledertasche hoch. »Mein
Vater braucht diese Zeichnungen im nächsten Abschnitt, und das
war mir ein willkommener Vorwand. Ein Zug wäre wahrscheinlich
schneller gewesen, aber… Hören Sie, ich muß wirklich
weiter. Wenn Sie ganz sicher sind, daß Ihnen nichts fehlt,
werde ich von hier mit Lift und Zug weiterfahren. Sie sollten sich
lieber hinsetzen. Dort drüben ist eine Bar. Ich spendiere Ihnen
einen Kaffee.«
Ich protestiere, aber im Augenblick bin ich verwundbar. Ich werde
zu der Bar geführt. Miss Arrol streitet draußen etwa eine
Minute lang lautstark mit den beiden Männern und den
Rikscha-Jungen, dann dreht sie sich zu
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