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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Halte das falsche und flimmernde Zeug auf der
Ausblendstufe an, wenn du sehen willst, woraus es besteht. Da.
Betrachte die hübschen Farben, als es, bisher statisch, sich
wieder bewegt, kochend, brennend, blubbernd, sich teilend und
abschälend wie sich öffnende verletzte Lippen. Das Bild
wird durch den Druck dieses reinen weißen Lichts
beiseitegedrängt (erkennst du, was ich für dich tue,
Junge?).
    Nein, ich bin nicht er. Ich betrachte ihn nur. Das ist nichts als
ein Mann, dem ich begegnet bin, jemand, den ich früher einmal
kannte.
    Ich glaube, ich habe ihn später noch einmal getroffen. Das
kommt später. Alles zu seiner Zeit.
    Ich schlafe jetzt, weil… nun, ich schlafe jetzt. Das
genügt.
     
    Nein, ich weiß nicht, wo ich bin.
    Nein, ich weiß nicht, wer ich bin.
    Ja, natürlich weiß ich, daß alles ein Traum
ist.
    Ist nicht überhaupt alles ein Traum?

 
     
    Am frühen Morgen kommt Wind auf und bläst den Nebel weg.
Ich ziehe mich benommen an, versuche, mich an meine Träume zu
erinnern. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich in der Nacht
überhaupt geträumt habe.
    Am Himmel über dem Fluß enthüllt der sich hebende
Nebel langsam geschwollene graue Dinger, große aufgeblasene
Ballons wie riesige pneumatische Bomben. Sperrballons vom einen Ende
der Brücke zum anderen.
    Es müssen Hunderte sein, die ungefähr in der Höhe
der Bogen, vielleicht höher, in der Luft schweben. Verankert
sind sie entweder auf den Inseln oder auf Schleppnetz- und anderen
Booten.
    Die letzten Reste des Nebels steigen auf und werden zerstreut. Es
sieht nach einem schönen Tag aus. Die Sperrballons drehen sich
gemeinsam am Himmel. Sie erinnern nicht an Vögel, sondern an
eine Schule großer grauer Wale, die ihre runden Schnauzen
langsam in dem sanften Luftstrom bewegen. Ich drücke mein
Gesicht an die kalte Fensterscheibe, spähe in einem so spitzen
Winkel, wie es mir möglich ist, an der im Dunst verschwimmenden
Brücke entlang. Die Ballons sind überall, über den
Himmel verteilt, manche nur etwa hundert Fuß von der
Brücke entfernt, andere mit einem Abstand von mehreren Meilen zu
ihr.
    Vermutlich sollen sie weitere Vorbeiflüge verhindern. Eine
ziemlich übertriebene Reaktion, finde ich.
    Die Briefkastenklappe öffnet sich, ein Brief fällt auf
den Teppich. Es ist eine Nachricht von Abberlaine Arrol; sie will
heute vormittag auf einem Rangierbahnhof, der ein paar Abschnitte
entfernt ist, zeichnen und fragt, ob ich Lust hätte,
mitzukommen.
    Der heutige Tag läßt sich immer strahlender an.
    Ich vergesse nicht, meinen Brief zu Dr. Joyce zu bringen. Ich habe
ihn gestern abend geschrieben, nachdem ich den zurückgegebenen
Hut losgeworden war. Ich habe dem guten Doktor mitgeteilt, daß
ich die Hypnose verschieben möchte. Ich bitte (höflich) um
seine Nachsicht; ich versichere ihm, daß ich weiterhin
überglücklich sein werde, zu ihm zu kommen und meine
Träume zu diskutieren – sie seien in letzter Zeit
inhaltsreicher geworden, behaupte ich, und würden deshalb
wahrscheinlich bei der Art von Analyse, die er ursprünglich
beabsichtigte, von größerem Nutzen sein.
    Ich stecke Miss Arrols Brief und meinen eigenen an den guten
Doktor in die Tasche und bleibe noch eine Weile stehen, um die
Ballons zu betrachten. Sie schwingen langsam im Morgenlicht wie
große vertäute Bojen, die auf einer unsichtbaren
Oberfläche über uns schweben.
    Es klopft an die Tür. Wenn ich Glück habe, ist es
jemand, der den Fernseher oder das Telefon oder beides reparieren
will. Ich drehe den Schlüssel und versuche, die Tür zu
öffnen, doch es gelingt mir nicht. Es klopft von neuem.
    »Ja?« frage ich und ziehe an dem Knauf. Ein Mann ruft
von draußen herein:
    »Ich möchte mir Ihren Fernseher ansehen. Sie sind doch
Mr. Orr?«
    Ich kämpfe mit der Tür. Der Knauf dreht sich, aber sonst
tut sich nichts.
    »Sind Sie Mr. Orr?« ruft der Mann.
    »Ja, ja, warten Sie einen Augenblick, ich bekomme die
verdammte Tür nicht auf.«
    »Schon gut, Mr. Orr.«
    Ich ziehe und zerre an dem Türknauf, drehe ihn,
schüttele ihn. Bis jetzt ist er niemals auch nur schwer
gegangen, da war keine Spur von Schwierigkeiten. Vielleicht ist alles
in der Wohnung so gemacht, daß es nur sechs Monate lang
funktioniert. Langsam werde ich wütend.
    »Sind Sie sicher, daß Sie aufgeschlossen haben, Mr.
Orr?«
    »Ja.« Ich versuche, ruhig zu bleiben.
    »Ist das auch der richtige Schlüssel?«
    »Bestimmt!« brülle ich.
    »Ich wollte nur mal fragen.« Es klingt, als
amüsiere sich

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