Die Brücken Der Freiheit: Roman
Platz war eine kleine Meute zu sehen, die von Haus zu Haus zog.
Sir George stellte den Mann auf der Schwelle zur Rede. »Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da angestellt haben?« fragte er ihn. »Diese Zahl ist ein Code und bedeutet: ›Der König ist ein Lügner.‹ Ihr hochgeschätzter Mr. Wilkes landete deswegen hinter Schloß und Riegel, und Ihnen könnte genau das gleiche passieren.«
Der Mann ging auf die Vorhaltungen Sir Georges nicht ein. »Zünden Sie jetzt Kerzen für Wilkes an oder nicht?« fragte er.
Sir Georges Gesicht lief rot an. Es brachte ihn in Rage, wenn ihm die niedrigen Stände die fällige Ehrerbietung verweigerten. »Scheren Sie sich zum Teufel!« brüllte er und schlug dem Mann die Tür vor der Nase zu.
Dann begab er sich wieder in sein Studierzimmer. Jay folgte ihm. Kaum hatten sie sich gesetzt, hörten sie das Geräusch von splitterndem Glas. Sie sprangen sofort wieder auf und rannten in das Speisezimmer im vorderen Teil des Hauses. Bei einem der beiden Fenster war eine Scheibe eingeschlagen. Auf dem gewienerten Parkettboden lag ein Stein. »Das ist Crown Glass, handgefertigte Butzenscheiben!« schrie Sir George erbost. Sie starrten noch immer fassungslos auf den Schaden, als ein zweiter Stein krachend durch die Scheibe des zweiten Fensters flog.
Sir George ging zurück in die Halle und sprach mit dem Diener: »Alle Bewohner sollen sich in den hinteren Teil des Hauses begeben, damit es keine Verletzten gibt! Geben Sie das weiter!«
Der Diener wirkte völlig verängstigt. »Wäre es nicht einfacher, diese Kerzen in die Fenster zu stellen, Sir?«
»Halten Sie Ihren dämlichen Mund, und tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe«, gab Sir George barsch zurück.
Zum drittenmal krachte es, diesmal irgendwo im Oberstock, und Jay hörte seine Mutter entsetzt aufschreien. Mit klopfendem Herzen rannte er die Treppe hinauf. Sie kam aus dem Salon und stürzte ihm entgegen. »Bist du verletzt, Mama?«
Sie war blaß, aber ruhig. »Nein, nein, keine Sorge. Was ist denn passiert?«
Sir George kam die Treppe hoch und sagte mit mühsam unterdrücktem Zorn: »Kein Grund zur Besorgnis. Das waren die Wilkiten, dieser verdammte Mob. Wir ziehen uns ein wenig zurück, bis die Bande wieder verschwunden ist.«
Sie suchten in dem kleinen Wohnzimmer auf der Rückseite des Hauses Zuflucht, während vorne weitere Fensterscheiben zerklirrten. Jay sah, daß sein Vater vor Wut kochte. Sir George in die Defensive zu zwingen bedeutete mit absoluter Sicherheit, ihn zur Weißglut zu treiben. Der Zeitpunkt war gekommen, Lennox' Vorschlag noch einmal aufs Tapet zu bringen. Jay schlug alle Bedenken in den Wind und sagte: »Ich glaube, Vater, es ist jetzt wirklich an der Zeit, entschiedener gegen dieses Lumpenpack vorzugehen.«
»Wovon redest du, verdammt noch mal?«
»Ich dachte an McAsh und die Kohlelöscher. Wenn man diesen Kerlen einmal gestattet, gegen die Obrigkeit aufzubegehren, dann tun sie's immer wieder.« Es war normalerweise nicht Jays Art, solche Reden zu führen. Seine Mutter sah ihn kritisch an. Aber er ließ sich nicht beirren. »Am besten man erstickt so etwas gleich im Keim und zeigt den Leuten, wo sie hingehören.«
Sir George schien bereits wieder eine ärgerliche Replik auf den Lippen zu haben. Doch er sprach sie nicht aus. Er zögerte, verzog das Gesicht und sagte dann: »Du hast recht, absolut. Wir fangen gleich morgen damit an.«
Jay lächelte.
Kapitel 8
MACK FÜHLTE SICH AUF SEINEM MARSCH über die verdreckte und verschlammte Straße, die als Wapping High Street bekannt war, wie ein König. Aus allen Wirtshaustüren, aus Fenstern, Höfen und von den Dächern herab winkten die Menschen ihm zu, riefen seinen Namen, machten Freunde und Bekannte auf ihn aufmerksam, und jeder wollte ihm die Hand schütteln. Doch die Wertschätzung der Männer war noch gar nichts im Vergleich mit der Dankbarkeit ihrer Frauen. Ihre Männer brachten seit neuestem nicht nur das Drei bis Vierfache ihres bisherigen Verdienstes mit nach Hause, sondern waren auch viel nüchterner, wenn sie von der Arbeit kamen. Die Frauen fielen Mack mitten auf der Straße um den Hals, küßten ihm die Hände und riefen ihren Nachbarinnen zu: »Das ist Mack McAsh, der Mann, der die Unternehmer in die Knie gezwungen hat. Kommt schnell, und seht ihn euch an!«
Am Themseufer blieb er stehen und blickte über den breiten grauen Fluß. Es war Flut, und es hatten bereits mehrere neue Schiffe Anker geworfen. Er sah sich nach einem Bootsbesitzer
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