Die Brücken Der Freiheit: Roman
er ihm gekommen war. Jetzt dachte er darüber nach und kam zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit war, die ihnen noch blieb. »Alle Kohlelöscher wollen zu unserem System überwechseln«, sagte er. »Wir könnten sie dazu überreden, nicht mehr für die alten Unternehmer zu arbeiten. Dann wird den Kapitänen und Eignern gar nichts anderes übrigbleiben, als die neuen Gangs anzuheuern.«
Dermot war skeptisch. »Angenommen, sie weigern sich nach wie vor?«
Sein Pessimismus ärgerte Mack. Warum mußte man immer gleich das Schlimmste annehmen? »Dann kommt eben keine Kohle mehr an Land«, sagte er.
»Und wovon leben die Männer dann?«
»Sie können es sich leisten, ein paar Tage freizunehmen. Es geschieht ja ohnehin dauernd: Wenn keine Kohleschiffe im Hafen liegen, gibt es keine Arbeit für uns.«
»Das stimmt schon. Aber ewig können wir nicht durchhalten.«
»Die Eigner auch nicht - London braucht seine Kohle!«
»Was willst du denn sonst tun?« fragte Cora den noch immer zweifelnden Dermot.
Der runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Dann hellte sich seine Miene auf. »Auf die alte Tour will ich nicht mehr malochen, das steht fest. Also mache ich mit.«
»Gut!« sagte Mack erleichtert.
»Ich habe schon einmal gestreikt«, sagte Charlie betrübt.
»Wer darunter leidet, sind die Ehefrauen.«
»Wann hast du gestreikt?« fragte Mack. Er besaß keine eigenen Erfahrungen: Alles, was er über Streiks wußte, hatte er in Zeitungen gelesen.
»Vor drei Jahren oben am Tyne. Ich war Kumpel im Kohlebergwerk.«
»Das habe ich nicht gewußt«, sagte Mack erstaunt. Auf die Idee, daß auch Bergleute streiken konnten, war er noch nie gekommen. »Was ist dabei herausgekommen?«
»Die Grubenbesitzer gaben nach.«
»Na also!« sagte Mack triumphierend.
»Sei vorsichtig, Mack«, sagte Cora. »Du hast es hier nicht mit nordenglischen Gutsherren zu tun, sondern mit Londoner Gastwirten, dem Abschaum dieser Erde. Die sind imstande und lassen dir im Schlaf die Gurgel durchschneiden.«
Mack blickte ihr in die Augen und erkannte, daß sie sich aufrichtige Sorgen um ihn machte. »Ich werde aufpassen.«
Cora sah ihn skeptisch an, sagte aber nichts mehr.
»Als allererstes müssen wir die Männer überzeugen«, meinte Dermot.
»Ja, das stimmt«, pflichtete ihm Mack bei. »Es hat keinen Sinn, daß wir vier hier so tun, als läge die Entscheidung nur bei uns. Wir werden eine Versammlung einberufen. Wieviel Uhr ist es?«
Sie blickten alle hinaus. Es wurde langsam dunkel. »Ungefähr sechs«, sagte Cora.
»Die Trupps, die heute arbeiten, werden aufhören, sobald es dunkel wird. Ihr zwei geht los, klappert die Schenken in der High Street ab und sagt den Leuten Bescheid.«
Charlie und Dermot nickten. »Aber hier können wir die Versammlung nicht abhalten«, wandte Charlie ein. »Der Raum ist nicht groß genug. Es sind ja insgesamt an die fünfzig Trupps.«
»Der Fröhliche Seemann hat einen großen Innenhof«, sagte Dermot. »Und außerdem ist der Wirt kein Unternehmer.«
»Einverstanden«, sagte Mack. »Die Leute sollen eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit dort sein.«
»Alle kommen bestimmt nicht«, meinte Charlie.
»Aber die meisten.«
»Wir sehen zu, daß wir so viele wie möglich zusammenbringen«, sagte Dermot. Dann machten er und Charlie sich auf den Weg.
Mack sah Cora an. »Nimmst du heute abend frei?« fragte er erwartungsvoll.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich warte nur noch auf meine Komplizin.«
Daß Peg eine Diebin war und Cora dafür die Verantwortung trug, machte Mack Kummer. »Es wäre schön, wenn es uns gelänge, dem Kind ein Auskommen zu verschaffen, ohne daß es dafür stehlen muß«, sagte er.
»Warum?«
Die Frage brachte ihn in Verlegenheit. »Nun ja, es liegt doch auf der Hand, daß…«
»Was liegt auf der Hand?«
»Daß es besser wäre, wenn sie unbescholten aufwachsen würde.«
»Warum wäre das besser?«
Mack entging nicht der gereizte Unterton in Coras Fragen, aber er konnte jetzt nicht mehr zurück. »Sie lebt gefährlich. Wenn sie Pech hat, endet sie am Galgen in Tyburn.«
»Angenommen, sie würde bei einer reichen Herrschaft den Küchenboden schrubben, sich vom Koch verprügeln und vom Hausherrn vergewaltigen lassen… Wäre sie da vielleicht besser dran?«
»Ich glaube nicht, daß jedes Küchenmädchen vergewaltigt wird.«
»Jedes hübsche schon. Und wovon soll ich leben, wenn sie aussteigt?«
»Du? Du bist gescheit, siehst
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