Die Brücken Der Freiheit: Roman
Cranbrough die Hand.
»Das haben Sie und Ihre Leute großartig gemacht, Oberst. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Wir haben Blutvergießen vermieden, und dem Recht wird dennoch Genüge getan.«
Er macht gute Miene zu bösem Spiel, dachte Jay. In Wirklichkeit hat der Mob das Gesetz verhöhnt und verlacht.
Auf dem Rückmarsch seiner Abteilung zum Hyde Park war Jay sehr bedrückt. Den ganzen Tag über war er auf einen heißen Kampf eingestellt gewesen - und nun dies! Die Enttäuschung war kaum zu ertragen. Aber die Regierung würde dem Mob nicht ewig nachgeben können. Früher oder später mußte sie versuchen, die Unruhen gewaltsam niederzuschlagen. Und dann war endlich was los…
Nachdem er seine Leute nach Hause geschickt und sich vergewissert hatte, daß die Pferde gut versorgt waren, fiel Jay wieder Lennox' Vorschlag ein. Zwar sträubte sich in ihm alles dagegen, Sir George diesen Plan zu unterbreiten, doch wußte er auf der anderen Seite auch, daß es allemal leichter wäre, als seinen Vater um einhundertfünfzig Pfund zur Begleichung neuer Spielschulden zu bitten. Also beschloß er, auf dem Heimweg im Haus am Grosvenor Square vorbeizuschauen.
Es war schon spät. Die Familie habe das Abendessen bereits eingenommen, sagte der Diener. Sir George befinde sich in dem kleinen Studierzimmer im rückwärtigen Teil des Hauses. In der kalten marmorgefliesten Halle überkamen Jay erneut Bedenken. Er haßte es, seinen Vater um etwas zu bitten, egal um was. Entweder er schimpft mich aus, weil ich das Falsche erbitte, oder er wirft mir Unbescheidenheit vor, dachte er. Aber es gab keinen anderen Weg.
Er klopfte an die Tür und trat ein.
Sir George trank Wein und gähnte. Vor ihm lag eine Liste mit Melassepreisen. Jay setzte sich und sagte: »Das Gericht hat es abgelehnt, Wilkes gegen Kaution laufen zu lassen.«
»Ich hörte es.«
Vielleicht würde es Vater interessieren, wie Jays Regiment die Ordnung aufrechterhalten hatte. »Der Mob hat seine Kutsche bis nach Spitalfields geschleppt. Wir immer hinterher. Er hat zugesagt, sich heute abend zu stellen.«
»Gut. Was führt dich zu so später Stunde zu mir?«
Die Ablenkungsmanöver verfingen bei Vater nicht. »Wußtest du schon, daß Malachi McAsh inzwischen in London
aufgetaucht ist?« fragte er.
Sir George schüttelte den Kopf. »Na und?« erwiderte er.
»Er schürt Unruhe unter den Kohlelöschern.«
»Dazu gehört nicht viel. Das ist eine renitente Bande.«
»Man hat mich gebeten, im Namen der Unternehmer bei dir vorstellig zu werden.«
Sir George hob die Brauen. »Wieso ausgerechnet dich?« fragte er in einem Ton, dem man entnehmen konnte, daß seiner Ansicht nach kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hatte, Jay als Botschafter einspannen konnte.
Jay zuckte mit den Schultern. »Ich kenne zufällig einen von ihnen. Er hat mich gebeten, mit dir zu reden.«
»Diese Gastwirte sind eine einflußreiche Wählergruppe«, sagte Sir George nachdenklich. »Worum geht es?«
»Dieser McAsh und seine Freunde haben unabhängige Löschergangs gegründet. Sie arbeiten auf eigene Rechnung. Die Unternehmer appellieren daher an die Loyalität der Schiffseigner. Ihr sollt diesen neuen Trupps keine Arbeit geben. Und sie meinen, wenn du mit gutem Beispiel vorangingest…«
»Ich weiß nicht, ob ich mich da einmischen soll. Es geht uns eigentlich nichts an.«
Jay war enttäuscht. Er hatte den Vorschlag so gut eingefädelt. Jetzt spielte er den Unbeteiligten. »Mir ist das im Grunde auch egal«, sagte er. »Aber eines überrascht mich: Du sagst doch selbst immer, daß wir gegenüber aufwieglerischen Elementen unter den Arbeitern hart bleiben müssen.«
In diesem Augenblick hämmerte jemand vehement gegen die Eingangstür. Sir George runzelte die Stirn, und Jay trat in die Halle hinaus, um nach dem Rechten zu sehen. Ein Diener eilte an ihm vorbei und öffnete die Tür. Draußen stand ein stämmiger Arbeiter mit Holzpantinen an den Füßen und einer blauen Kokarde an seiner schmuddeligen Mütze. »Zünd Kerzen an!« befahl er dem Diener. »Kerzen für Wilkes!«
Nun erschien auch Sir George in der Halle, blieb neben seinem Sohn stehen und wollte wissen, was da vor sich ging.
»Ich hab' schon davon gehört«, sagte Jay. »Sie zwingen die Leute, in alle Fenster Kerzen zu stellen - zum Zeichen der Verbundenheit mit Wilkes.«
»Was ist das da an der Tür?« fragte Sir George.
Sie gingen hin. Mit Kreide war die Zahl 45 an die Haustür geschrieben worden. Draußen auf dem
Weitere Kostenlose Bücher