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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verkauft bist, hast du keine Eltern mehr. Das ist immer so.«
    Mack spürte, daß Kobe aufgegeben hatte. Er hat sich an sein Sklavendasein gewöhnt und gelernt, damit zu leben, dachte er. Er ist verbittert und hat jede Hoffnung auf Freiheit aufgegeben. So weit wird es bei mir nie kommen, das schwöre ich…
    Sie marschierten ungefähr zehn Meilen. Es ging nur langsam voran, da sie alle noch Fußfesseln trugen. Denjenigen, deren Partner während der Überfahrt gestorben waren, hatte man die Kette um beide Knöchel gelegt, so daß sie zwar gehen, aber nicht rennen konnten. Nicht einmal ein schnelles Gehen war möglich, und wer es versucht hätte, wäre wahrscheinlich, geschwächt wie sie nach dem achtwöchigen Liegen an Bord alle waren, zusammengebrochen. Sowerby, der Verwalter, ritt auf einem Pferd, hatte es aber ganz offensichtlich nicht eilig und nahm immer wieder einen tiefen Zug aus einer Flasche.
    Die Landschaft erinnerte mehr an England als an Schottland und war gar nicht so fremd und ungewohnt, wie Mack sie sich vorgestellt hatte. Der Weg führte an dem steinigen Fluß entlang, der sich durch einen dichten Wald schlängelte. Mack hätte sich gerne eine Weile im Schatten der großen Bäume ausgeruht.
    Er grübelte darüber nach, wann er Lizzie wiedersehen würde, die junge Frau, die ihn immer wieder verblüffte. Daß er erneut den Jamissons gehörte, war schlimm genug, doch Lizzies Gegenwart würde ihm ein kleiner Trost sein. Anders als ihr Schwiegervater war sie nicht grausam, wenn auch bisweilen etwas gedankenlos. Ihr unkonventionelles Auftreten und ihre lebendige Persönlichkeit gefielen ihm. Außerdem verfügte sie über einen gewissen Gerechtigkeitssinn, der ihm in der Vergangenheit schon einmal das Leben gerettet hatte, und würde ihm vielleicht auch in Zukunft beistehen.
    Gegen Mittag erreichten sie die Plantage der Jamissons. Über eine mit Bäumen bestandene Wiese, auf der Kühe grasten, führte ein Fußweg zu einem Flecken mit aufgewühlter Erde, auf dem ungefähr zwölf Hütten standen. Zwei schon etwas ältere schwarze Frauen kochten über offenen Feuerstellen, und vier oder fünf nackte Kinder spielten im Dreck. Die Hütten waren aus einfachen Brettern zusammengezimmert. In den mit Läden versehenen Fensteröffnungen waren keine Scheiben.
    Sowerby wechselte ein paar Worte mit Kobe und verschwand.
    Kobe wandte sich an die Sträflinge: »Das sind eure  Quartiere.«
    »Sollen wir etwa bei den Niggern leben?« fragte jemand.
    Mack lachte. Wie konnte sich nach acht Wochen in dem Höllenloch auf der Rosebud noch jemand über die Unterbringung beschweren?
    »Weiße und Schwarze wohnen in getrennten Hütten. Das ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber irgendwie läuft es immer darauf hinaus. In jeder Hütte wohnen sechs Mann. Bevor wir uns ausruhen können, haben wir noch eine Aufgabe zu erledigen. Kommt mit!«
    Kobe führte sie auf einen Pfad, der sich zwischen grünen Weizenfeldern, hohen Maispflanzen und aromatisch duftenden Tabakstauden hindurchzog. Auf allen Feldern waren Männer und Frauen an der Arbeit. Sie jäteten Unkraut zwischen den Reihen und entfernten Raupen von den Tabakblättern.
    Schließlich erreichten sie eine große Rasenfläche. Der Weg führte, leicht ansteigend, zu einem großzügig angelegten, aber baufälligen Schindelhaus, dessen schmutziggraue Farbe an vielen Stellen abblätterte. Die Läden waren verschlossen. Dies ist wahrscheinlich Mockjack Hall, dachte Mack. Kobe führte sie um das Haus herum. Auf der Rückseite waren mehrere Nebengebäude, darunter auch eine Schmiede untergebracht. Der Schmied, ein Neger, den Kobe mit »Cass« anredete, machte sich sofort daran, die Sträflinge von ihren Fußfesseln zu befreien.
    Stumm beobachtete Mack, wie die Fesseln fielen. Er empfand ein Gefühl der Befreiung, obwohl er genau wußte, daß es völlig unangebracht war. Die Ketten waren ihm im Gefängnis von Newgate angelegt worden, am anderen Ende der Welt, und er hatte sie in den acht demütigenden Wochen danach in jeder einzelnen Minute gehaßt.
    Das Haus stand auf einem Hügel, von wo aus man den in ungefähr einer halben Meile vorbeifließenden Rappahannock River schimmern sehen konnte. Wenn ich endlich diese Ketten los bin, könnte ich weglaufen, dachte Mack. Ich könnte zum Fluß hinablaufen, hineinspringen und ans andere Ufer schwimmen. Ich könnte versuchen, als freier Mann zu leben.
    Er sah jedoch bald ein, daß Zurückhaltung geboten war. Noch war er körperlich so schwach,

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