Die Brücken Der Freiheit: Roman
daß er kaum eine halbe Meile rennen konnte. Außerdem hatte er versprochen, Peg und Cora zu suchen - und das mußte vor einer möglichen Flucht geschehen, weil es danach kaum noch eine Gelegenheit dazu geben würde. Jeder Schritt mußte sorgfältig geplant werden. Er hatte keine Ahnung von der geographischen Beschaffenheit des Landes. Er mußte wissen, wohin er fliehen wollte und auf welchem Weg er sein Ziel erreichen konnte.
Und trotzdem - als endlich die Fesseln von seinen Füßen fielen, kostete es ihn Überwindung, sich nicht sofort auf und davon zu machen.
Er kämpfte noch gegen seinen inneren Drang zur Flucht, als Kobe sich wieder an die Sträflinge wandte: »Nun, da ihr von euren Fesseln befreit seid, überlegen einige von euch schon, wie weit sie's bis Sonnenuntergang schaffen. Doch bevor ihr davonlauft, muß ich euc h noch was Wichtiges sagen. Also hört mir jetzt gut zu.«
Er machte eine Pause, um seinen Worten Gewicht zu verschaffen, und fuhr dann fort: »Wer abhaut, wird in den meisten Fällen wieder eingefangen und streng bestraft. Zuerst gibt's die Peitsche, aber das ist noch der harmlosere Teil. Ihr bekommt einen Eisenkragen um den Hals, den manche als Schande empfinden. Das schlimmste ist aber, daß eure Strafzeit verlängert wird. Wer eine Woche lang untertaucht, muß zwei Wochen länger dienen. Wir haben hier Leute, die so oft ausgebüchst sind, daß sie erst mit Hundert freikommen.« Er blickte in die Runde, sah Mack an und sagte abschließend: »Wenn ihr das Risiko auf euch nehmen wollt, dann kann ich nur sagen: Viel Glück!«
Zum Frühstück kochten die alten Frauen ein Maisgericht, das Hominy genannt und in Holzschüsseln abgefüllt wurde. Sträflinge und Sklaven aßen den Brei mit den Händen.
Insgesamt gab es ungefähr vierzig Plantagenarbeiter auf Mockjack Hall. Von den neu hinzugekommenen Sträflingen abgesehen, handelte es sich überwiegend um schwarze Sklaven. Des weiteren gab es vier sogenannte Vertragssklaven, die sich auf vier Jahre verpflichtet und dafür die Überfahrt bezahlt bekommen hatten. Sie wahrten Distanz gegenüber den anderen und hielten sich offenbar für etwas Besseres. Zwei freie Schwarze und eine weiße Frau waren die einzigen Angestellten mit dem Status normaler Lohnempfänger. Einige Schwarze sprachen gut Englisch; die Mehrzahl von ihnen unterhielt sich jedoch in der jeweiligen afrikanischen Heimatsprache. Mit den Weißen verständigten sie sich in einer Art Kinder-Pidgin. Mack wollte sie anfangs auch wie Kinder behandeln, doch dann fiel ihm ein, daß sie ihm im Grunde überlegen waren, denn sie sprachen anderthalb Sprachen und er nur eine.
Man führte sie ein oder zwei Meilen weit auf die Felder hinaus, bis sie eine erntereife Tabakplantage erreichten. Die Tabakpflanzen standen in geraden Reihen, die etwas mehr als einen halben Meter voneinander getrennt und jede ungefähr eine Viertelmeile lang waren. Sie waren annähernd mannshoch und besaßen jeweils etwa ein Dutzend breite grüne Blätter.
Bill Sowerby und Kobe erteilten den Arbeitern ihre Anweisungen. Zunächst wurden sie in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt scharfe Messer und den Auftrag, die reifen Pfla nzen abzuschneiden. Die zweite Gruppe ging auf ein Feld, auf dem die Pflanzen am Tag vorher bereits abgeschnitten worden waren und nun in der Sonne trockneten. Den Neuankömmlingen wurde gezeigt, wie man die Stengel der auf dem Boden liegenden Stauden spaltete und auf langen Holzspießen aufreihte. Mack kam in die dritte Gruppe, deren Aufgabe es war, die vollen Spieße über die Felder in den Tabakschuppen zu tragen. Dort wurden sie unter der hohen Decke aufgehängt und an der Luft getrocknet.
Es war ein langer, heißer Sommertag. Die Männer von der Rosebud konnten noch nicht so hart arbeiten wie die anderen Feldarbeiter. Mack mußte immer wieder feststellen, daß Frauen und Kinder schneller waren als er. Krankheit, Unterernährung und der Mangel an körperlicher Tätigkeit hatten ihn geschwächt. Bill Sowerby trug eine Peitsche, machte aber nach Macks Beobachtungen keinen Gebrauch davon.
Zur Mittagszeit bekamen sie grobes Maisbrot zu essen, das die Sklaven Pone nannten. Obwohl es ihn nicht sonderlich überraschte, war Mack bestürzt, als er während des Essens plötzlich die vertraute Gestalt von Sidney Lennox entdeckte. Er trug neue Kleider und ließ sich von Sowerby die Plantage zeigen. Jay Jamisson spekulierte offenbar darauf, daß Lennox ihm, wie schon in der Vergangenheit, auch
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