Die Brücken Der Freiheit: Roman
in Zukunft wieder nützliche Dienste leisten könne.
Bei Sonnenuntergang waren sie ziemlich erschöpft. Sie durften aber noch nicht in ihre Hütten zurückkehren, sondern wurden zum Tabakschuppen geführt, der unterdessen vom Schein Dutzender von Kerzen erleuchtet war. Nach einem hastigen Abendessen ging die Arbeit weiter. Sie streiften die Blätter von den angetrockneten Pflanzen, entfernten die dicke zentrale Blattrippe und preßten die Blätter zu Bündeln zusammen. Mit fortschreitender Nacht schliefen ein paar Kinder sowie ein paar ältere Arbeiterinnen und Arbeiter ein, worauf ein ausgeklügeltes Warnsystem in Kraft trat: Die Stärkeren arbeiteten für die Schwachen mit und weckten sie auf, wenn Sowerby kam.
Nach Macks Einschätzung war Mitternacht bereits vorüber, als die Kerzen gelöscht wurden. Jetzt endlich durften sie in ihre Hütten gehen und sich auf ihren Holzpritschen zur Ruhe legen. Mack schlief sofort ein.
Er hatte des Gefühl, nur wenige Sekunden geschlafen zu haben, als man ihn auch schon wieder wachschüttelte. Müde rappelte er sich auf, torkelte hinaus und verleibte sich, an die Hüttenwand gelehnt, seine Portion Maisbrei ein. Kaum hatte er die letzte Handvoll in den Mund gestopft, da mußten sie bereits wieder zur Arbeit aufbrechen.
Im frühen Morgenlicht erreichten sie das Feld - und Mack erblickte auf einmal Lizzie.
Er hatte sie seit jenem Tag, an dem die Sträflinge auf die Rosebud verfrachtet worden waren, nicht mehr gesehen. Lizzie saß auf einem Schimmel und ritt im Schritt über das Feld. Sie trug ein lockeres Leinenkleid und einen großen Hut. Das helle, wasserklare Licht kündete vom bevorstehenden Sonnenaufgang. Lizzie sah gut aus, erholt und zufrieden, schon ganz die Gutsherrin auf einem Ausritt über ihren Besitz. Mack entging nicht, daß sie zugenommen hatte, während er und die anderen vor Hunger fast vor die Hunde gegangen waren. Aber er konnte ihr das nicht übelnehmen, denn sie setzte sich ein für das, was sie für richtig hielt, und hatte ihm auf diese Weise schon mehrmals geholfen.
Er mußte daran denken, wie sie ihm um den Hals gefallen war, nachdem er sie in der dunklen Seitengasse der Tyburn Street aus der Gewalt der beiden Grobiane befreit hatte. Er hatte ihren weichen Körper an sich gedrückt und ihren Duft, den Geruch nach Seife und Weiblichkeit, in sich aufgenommen. Ein verrückter Gedanke war ihm damals durch den Kopf geschossen: War vielleicht sie - und nicht Cora - die richtige Frau für ihn? Aber er war dann sehr schnell wieder zur Vernunft gekommen.
Jetzt erkannte er, daß Lizzie nicht einfach dick wurde, sondern schwanger war. Sie wird einen Sohn bekommen, dachte er, einen jungen Jamisson, und der wird ebenso grausam, geizig und herzlos sein wie die ganze Sippe. Er wird eines Tages diese Pflanzung erben, wird Menschen kaufen und wie Vieh behandeln und wird steinreich sein…
Lizzie sah ihn an. Mack schlug das Gewissen, weil er ihrem ungeborenen Kind so böse Eigenschaften zugeschrieben hatte. Anfangs erkannte sie ihn nicht richtig, doch dann zuckte sie zusammen und hatte keine Zweifel mehr. Die Veränderungen, welche die Reise in seiner äußeren Erscheinung bewirkt hatte, mochten sie erschreckt haben.
Mack hielt ihrem Blick lange stand und hoffte, sie würde zu ihm kommen und ihn begrüßen. Doch Lizzie wandte sich wortlos ab und ließ ihr Pferd antraben. Einen Augenblick später verschwand sie im Wald.
Kapitel 2
EINE WOCHE NACH SEINER ANKUNFT auf Mockjack Hall beobachtete Jay Jamisson zwei Sklavinnen, die einen Schrankkoffer mit Glaswaren auspackten. Belle war eine schwere Frau mittleren Alters mit gewaltigen Brüsten und einem ausladenden Hinterteil. Mildred dagegen zählte ungefähr achtzehn Jahre, hatte wunderschöne tabakbraune Haut und große, schläfrige Augen. Wenn sie sich nach den höheren Brettern im Schrank streckte, konnte Jay sehen, wie sich ihre Brüste unter dem Hemdkleid aus einfachem grauem Stoff bewegten. Sein stierer Blick beunruhigte die Frauen. Mit zitternden Händen wickelten sie die feinen Kristallgläser aus. Wenn sie etwas zerbrechen, muß ich sie bestrafen, dachte Jay und überlegte schon, ob er sie schlagen sollte.
Die Vorstellung machte ihn nervös. Er stand auf und ging hinaus. Mockjack Hall war ein großes Haus mit breiter Vorderfront. Von der mit Säulen eingefaßten Veranda bot sich ein weiter Blick über die Rasenfläche, die zum trüben Rappahannock River hin abfiel. In England wäre ein Haus dieser
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