Die Brücken Der Freiheit: Roman
sagte sie: »Nicht mehr viel.«
»Ich dachte, das dauert Stunden.«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, die Rückenschmerzen, die ich vorhin hatte, waren Wehen. Vermutlich ist das Baby schon die ganze Zeit unterwegs.«
»Soll ich weiterfahren? Wir brauchen nur noch eine Viertelstunde.«
»Zu lange. Bleib, wo du bist, und halt mich fest.«
Mack sah, daß die Matratze naß und klebrig war. »Warum ist die Matratze so naß?«
»Das Fruchtwasser, glaube ich. Ich wünschte, meine Mutter wäre hier.«
Mack hielt den großen Fleck auf der Matratze für Blut, behielt es aber für sich.
Wieder stöhnte Lizzie laut auf. Als der Schmerz vorüber war, zitterte sie. Mack bedeckte sie mit seinem Pelz. »Du kannst deinen Umhang zurückhaben«, sagte er, und sie lächelte schwach, bevor die nächste Wehe begann.
Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie: »Du mußt das Baby in Empfang nehmen, wenn es herauskommt.«
»Mach' ich«, sagte er, ohne genau zu wissen, was sie damit meinte.
»Knie dich zwischen meine Beine«, sagte sie.
Er kniete zu ihren Füßen nieder und schlug ihre Röcke hoch. Ihre Unterhosen waren klitschnaß. Mack hatte in seinem ganzen Leben erst zwei Frauen ausgezogen, Annie und Cora, und keine von beiden hatte Unterhosen getragen. Er wußte nicht einmal, wie sie befestigt wurden, doch irgendwie gelang es ihm, sie aufzufummeln. Lizzie hob die Beine und drückte die Füße haltsuchend gegen seine Schultern.
Er starrte auf das dichte dunkle Haar zwischen ihren Beinen, und Panik drohte ihn zu überwältigen. Wie konnte dort ein Baby herauskommen? Er hatte keine Ahnung, wie das vor sich gehen sollte! Dann ermahnte er sich zur Ruhe: Derlei geschieht jeden Tag tausendmal, überall auf der ganzen Welt. Du brauchst es nicht zu verstehen. Das Baby kommt auch ohne deine Hilfe…
»Ich habe Angst«, sagte Lizzie in einer kurzen Wehenpause.
»Ich kümmere mich schon um dich«, sagte Mack und streichelte ihre Beine, denn ihr Gesicht war zu weit von ihm entfernt.
Das Kind kam sehr schnell.
Im spärlichen Licht der Sterne konnte Mack kaum etwas erkennen, doch plötzlich stöhnte Lizzie laut auf und zwischen ihren Beinen regte sich etwas. Mack schob seine zitternden Hände darunter und spürte etwas Warmes, Schlüpfriges auf dem Weg in die Außenwelt. Schon einen Augenblick später hielt er den Kopf des Babys in den Händen. Lizzie schien sich eine Minute lang auszuruhen, dann begann sie erneut zu pressen. Mack legte die andere Hand unter die winzigen Schultern, die sich ihren Weg in die Welt bahnten. Kurz darauf erschien auch der Rest des kleinen Körpers.
Mack hielt ihn in den Händen und starrte ihn an: die geschlossenen Augen, das dunkle Haar auf dem Köpfchen, die zierlichen Glieder. »Es ist ein Mädchen«, sagte er.
»Sie muß schreien!« sagte Lizzie drängend.
Mack hatte gehört, daß man Neugeborenen einen Klaps versetzte, damit sie atmeten. Es fiel ihm schwer, doch er wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb. Er drehte die Kleine um und versetzte ihr einen heftigen Klaps auf den Po.
Nichts.
Die winzige Brust lag in seiner Handfläche. Da stimmt etwas nicht, dachte er: Es war kein Herzschlag zu spüren.
Lizzie richtete sich mühsam auf. »Gib sie mir!« befahl sie.
Mack reichte ihr das kleine Wesen.
Lizzie nahm das Mädchen und starrte ihm ins Gesicht. Dann legte sie ihre Lippen auf die des Kindes, als wolle sie es küssen, und blies ihren Atem in seinen Mund.
Hol endlich Luft, und schrei! dachte Mack, als könne er das Neugeborene mit seiner Willenskraft zum Leben zwingen. Aber nichts geschah.
»Sie ist tot«, sagte Lizzie. Sie drückte das Baby an ihre Brust und zog den Pelzumhang um den nackten kleinen Körper. »Mein Kind ist tot!« Tränen liefen über ihr Gesicht.
Mack legte seine Arme um die beiden und hielt sie fest, während Lizzie sich das Herz aus dem Leib weinte.
Kapitel 7
NACH DER TOTGEBURT IHRES KLEINEN MÄDCHENS lebte Lizzie in einer Welt, die nur noch aus Grautönen, schweigenden Menschen, Regen und Nebel bestand. Sie überließ das Personal sich selbst und nahm erst einige Zeit später wahr, daß Mack inzwischen die Führung des Haushalts übernommen hatte. Sie schritt nicht mehr jeden Tag über die Plantage und überließ die Tabakfelder Lennox. Hin und wieder besuchte sie Mrs. Thumson oder Suzy Delahaye, die beide bereit waren, mit ihr über das Baby zu sprechen, so oft sie wollte, doch sie nahm weder an Festen noch an Tanzveranstaltungen teil. Jeden Sonntag
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