Die Brücken Der Freiheit: Roman
dir Wasser aus dem Kessel überm Feuer. Ich hole Tücher.«
Kurz darauf war er wieder im kleinen Salon. Lizzie hatte den Kittel um die Verletzung herum weggeschnitten. Nun tauchte sie ein Tuch ins Wasser und wusch das Blut von der Haut. Je deutlicher die Wunde erkennbar wurde, desto schlimmer sah sie aus. Mack hielt es für möglich, daß auch innere Organe verletzt waren.
Lizzie dachte offenbar das gleiche. »Das kann ich nicht allein behandeln«, sagte sie. »Sie braucht einen Arzt.«
Jay kam ins Zimmer, warf einen Blick auf die Verletzte und wurde blaß.
»Ich werde nach Doktor Finch senden müssen«, sagte Lizzie zu ihm.
»Wie du willst«, gab er zurück. »Ich gehe zum Fährhaus - da findet ein Hahnenkampf statt.« Er verschwand.
Fort mit Schaden , dachte Mack voller Verachtung.
Lizzies Blick ging von Kobe zu Mack. »Einer von euch muß sofort nach Fredericksburg reiten.«
»Das mache ich«, sagte Kobe. »Mack ist kein guter Reiter, und es ist schon dunkel.«
»Das stimmt«, gab Mack zu. »Ich könnte die kleine Kutsche nehmen, aber das würde länger dauern.«
»Dann ist der Fall klar«, sagte Lizzie. »Übereil nichts, Kobe, aber reite, so schnell du kannst. Das Mädchen könnte sterben.«
Fredericksburg lag zehn Meilen entfernt, doch Kobe kannte den Weg, und so war er nach zwei Stunden schon wieder zurück.
Als er den kleinen Salon betrat, wirkte er wie vom Donner gerührt. Mack hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
»Wo ist der Arzt?« fragte Lizzie.
»Doktor Finch ist so spät am Abend nicht bereit, wegen eines Negermädchens das Haus zu verlassen«, sagte Kobe mit bebender Stimme.
»Der Teufel hole diesen Idioten!« entfuhr es Lizzie. Sie kochte vor Wut.
Alle wandten sich Bess zu. Ihre Haut war mit Schweißperlen bedeckt, ihr Atem nur mehr ein Röcheln. Hin und wieder stöhnte sie, doch ihre Augen blieben geschlossen. Der gelbe Seidenbezug des Sofas war dunkelrot von ihrem Blut. Sie lag offenkundig im Sterben.
»Wir können doch nicht tatenlos hier herumstehen«, meinte Lizzie. »Vielleicht kann sie noch gerettet werden!«
»Ich fürchte, es geht zu Ende mit ihr«, sagte Kobe.
»Wenn der Arzt nicht kommen will, müssen wir sie eben zu ihm bringen«, sagte Lizzie. »Wir legen sie in den Ponywagen.«
»Wir sollten sie nicht bewegen«, meinte Mack. »Das ist nicht gut für sie.«
»Tun wir gar nichts, stirbt sie so oder so!« rief Lizzie aus.
»Schon gut, schon gut. Ich hole den Buggy.«
»Kobe, hol die Matratze aus meinem Bett und leg sie hinten in den Wagen! Wir werden Bess darauf betten. Und bring auch Decken mit!«
Mack rannte in den Stall. Die Stalljungen hatten sich bereits in ihre Quartiere zurückgezogen, doch Mack schaffte es auch alleine ohne große Mühe, das Pony Stripe einzuspannen. In der Küche holte er sich ein Kienholz und zündete damit die Laternen der Kutsche an. Als er vor der Veranda vorfuhr, wartete Kobe bereits auf ihn.
Während Kobe die Matratze in den Einspänner bugsierte, ging Mack ins Haus. Lizzie zog sich gerade ihren Mantel an.
»Kommen Sie etwa mit?« fragte Mack.
»Ja.«
»Glauben Sie, daß Ihnen das in Ihrem Zustand bekommt?«
»Ich fürchte, dieser verdammte Arzt wird sich weigern, Bess zu behandeln, wenn ich nicht dabei bin.«
Mack wußte, daß es müßig war, mit ihr in dieser Stimmung zu diskutieren. Vorsichtig nahm er Bess auf, trug sie hinaus und legte sie behutsam auf die Matratze. Kobe deckte sie mit den Wolldecken zu. Lizzie stieg auf und ließ sich neben Bess nieder, um den Kopf des Mädchens in den Armen zu halten.
Mack stieg auf den Kutschbock und griff nach den Zügeln. Drei Menschen zu ziehen war fast zuviel für das Pony, daher schob Kobe den Buggy an. Mack fuhr zur Straße hinunter und wandte sich gen Fredericksburg.
Es schien kein Mond, doch war der Weg auch im Sternenlicht noch zu erkennen. Er war steinig und voller Furchen, so daß das Gefährt auf und ab hüpfte und oft ins Schwanken geriet. Mack fürchtete, die Rüttelei könne Bess schaden, doch Lizzie trieb ihn immer wieder an: »Schneller! Fahren Sie schneller!« Die Straße wand sich am Flußufer entlang, durch dichten Wald und über bebaute Felder wie auf Mockjack Hall. Keine Menschenseele begegnete ihnen: Nach Einbruch der Dunkelheit war niemand mehr unterwegs, wenn es sich vermeiden ließ.
Lizzies ständige Ermahnungen im Ohr, kam Mack gut voran. Zur Zeit des Nachtessens erreichten sie Fredericksburg. Auf den Straßen waren Leute, und in den Häusern brannte Licht.
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