Die Brücken Der Freiheit: Roman
mitgeteilt, was dein Vater im Testament festgelegt hat?«
Jay merkte auf. War das ein Hoffnungsschimmer? »Hat er mir was vererbt?«
»Nein, dir nicht. Aber deinem Kind.«
Die Hoffnung zerstob. »Mein Kind war eine Totgeburt.«
»Jedes Enkelkind deines Vaters, das innerhalb eines Jahres nach seinem Tod das Licht der Welt erblickt, erhält ein Viertel des Gesamtbesitzes. Wenn es nach Ablauf dieses Jahres noch keine Enkel gibt, fällt alles an Robert.«
»Ein Viertel? Das ist ein Vermögen!«
»Du mußt also lediglich Lizzie wieder schwängern.«
Jay grinste gequält. »Na ja, wie man das anstellt, weiß ich wenigstens.«
»Ich wäre mir da nicht zu sicher. Sie ist mit diesem Grubenarbeiter durchgebrannt.«
»Was?«
»Sie ist abgereist, ja. Mit McAsh.«
»Großer Gott! Sie hat mich verlassen? Ist mit einem Sträfling davongelaufen?« Es war eine furchtbare Demütigung. Jay wandte den Blick ab. »O Gott, das steh' ich nicht durch!«
»Außerdem ist dieses Kind bei ihnen, Peg Knapp. Sie haben auch einen Planwagen und sechs von deinen Pferden mitgehen lassen. Und so viele Vorräte, daß man gleich mehrere Farmen damit aufbauen kann.«
»Verfluchtes Diebespack!« Er war außer sich und völlig hilflos. »Konntest du das nicht verhindern?«
»Ich hab' dem Sheriff Bescheid gesagt - aber Lizzie ist clever. Sie hat das Märchen verbreitet, sie wolle einem Vetter in North Carolina Geschenke bringen. Die Nachbarn haben dem Sheriff erzählt, ich sei nichts als eine zänkische Schwiegermutter, die Unfrieden stiften will.«
»Sie hassen mich, weil ich königstreu bin.« Das Wechselbad zwischen Hoffnung und Verzweiflung überstieg Jays Kräfte, und er versank in Lethargie. »Das ist alles ganz entsetzlich«, sagte er. »Das Schicksal hat sich gegen mich verschworen.«
»Du darfst jetzt noch nicht die Flinte ins Korn werfen!«
Mandy, die Bardame, unterbrach sie mit der Frage, was Alicia zu trinken wünsche. Jays Mutter bestellte sich einen Tee. Mandy lächelte Jay kokett zu.
»Ich könnte mit einer anderen Frau ein Kind haben«, sagte er, als Mandy wieder ging.
Voller Abscheu musterte Alicia das wackelnde Hinterteil der Bardame und sagte. »Taugt nicht. Das Enkelkind muß ehelich sein.«
»Kann ich mich von Lizzie scheiden lassen?«
»Nein. Das kostet ein Vermögen und muß vom Parlament genehmigt werden, ganz abgesehen davon, daß uns die Zeit dazu fehlt. Solange Lizzie lebt, geht es nur mit ihr.«
»Ich habe keine Ahnung, wo sie hin ist.«
»Ich weiß es.«
Jay starrte seine Mutter an. Ihre Raffinesse überraschte ihn immer wieder von neuem. »Wie denn das?«
»Ich bin ihnen gefolgt.«
In ungläubiger Bewunderung schüttelte er den Kopf. »Und wie hast du das angestellt?«
»Es war gar nicht schwer. Ich habe die Leute gefragt, ob sie einen vierspännigen Planwagen mit einem Mann, einer Frau und einem Kind gesehen hätten. Bei dem geringen Verkehr hier fällt so etwas auf.«
»Wo sind sie hin?«
»Zuerst fuhren sie nach Richmond, also gen Süden. Dann bogen sie nach Westen ab, auf den sogenannten ›Dreipässeweg‹, der in die Berge führt. Ich wandte mich nach Osten und erreichte schließlich Williamsburg. Wenn du dich noch heute vormittag auf den Weg machst, sind sie dir nur drei Tage voraus.«
Jay dachte nach. Die Vorstellung, seiner durchgebrannten Gattin hinterherzulaufen, war ihm ein Graus. Gehörnte Ehemänner wirkten so lächerlich. Andererseits war es die letzte Chance, noch an einen Teil des väterlichen Erbes zu kommen. Ein Viertel des Vermögens von Sir George - das war eine gewaltige Summe.
Doch angenommen, es gelang ihm, die drei einzuholen - was dann? »Was soll ich machen, wenn Lizzie sich weigert, zu mir zurückzukehren?« fragte er.
Finstere Entschlossenheit prägte die Züge seiner Mutter. »Es gäbe da natürlich noch eine andere Möglichkeit«, sagte sie, warf einen Seitenblick auf Mandy und sah dann wieder ihren Sohn an. Ihr Blick war eiskalt. »Du könntest in der Tat eine andere Frau schwängern, sie heiraten und an dein Erbe gelangen vorausgesetzt, Lizzie kommt unerwartet zu Tode.«
Jay starrte seine Mutter mit offenem Mund an.
»Sie wollen sich in die Wildnis absetzen, dorthin, wo sie der Arm des Gesetzes nicht erreichen kann. Da draußen kann alles mögliche passieren. Es gibt keine Sheriffs und keine Untersuchungsrichter. Da stirbt es sich leicht - und niemand stellt dumme Fragen.«
Jay schluckte. Seine Kehle war trocken, und er griff nach seinem Drink.
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