Die Brücken Der Freiheit: Roman
Robert ihm ins Ohr: »Was, zur Hölle, geht denn hier vor?«
Die Verliebten lösten sich voneinander. »Reg dich nicht auf, Robert!« sagte Jay.
Robert tobte. »Was macht ihr da, verdammt?« blubberte er, »Schon gut, schon gut, Bruder«, sagte Jay. »Du mußt wissen, daß Lizzie sich für mich entschieden hat. Wir wollen heiraten.«
»Du Schwein!« brüllte Robert und schlug mit der Faust nach ihm.
Der Schlag war wuchtig und unbeholfen, und Jay hatte keine Mühe, ihm auszuweichen. Dann aber kam Robert mit fliegenden Fäusten auf ihn zu. Seit ihrer Kinderzeit hatten sie sich nicht mehr geprügelt, doch Jay erinnerte sich, daß Robert zwar nicht schnell, aber ziemlich stark war. Er wich einem Hagel von Schlägen aus, ging dann auf Robert los und rang mit ihm. Und dann sprang auf einmal Lizzie seinem Bruder auf den Rücken, trommelte mit den Fäusten auf dessen Kopf und schrie: »Laß ihn in Frieden! Laß ihn in Frieden!«
Der Anblick war so komisch, daß Jay lachen mußte und sich nicht mehr schlagen konnte. Ein Schwinger Roberts traf ihn am linken Auge. Jay taumelte rückwärts und stürzte zu Boden. Mit dem unverletzten Auge sah er, wie Robert versuchte, Lizzie abzuschütteln. Trotz der Schmerzen in seinem Gesicht prustete Jay vor Lachen.
Dann erschien plötzlich Lizzies Mutter in der Halle. Alicia und Sir George folgten ihr auf dem Fuße. Nachdem sie ihren ersten Schreck überwunden hatte, sagte Lady Hallim: »Elizabeth Hallim, komm sofort von diesem Mann herunter!«
Jay rappelte sich auf, und Lizzie befreite sich von Robert. Lady Hallim, Alicia und Sir George waren so durcheinander, daß sie kein Wort hervorbrachten. Die linke Hand schützend auf das verletzte Auge gelegt, verneigte sich Jay Jamisson vor Lizzies Mutter und sagte: »Lady Hallim, gestatten Sie mir die Ehre, um die Hand Ihrer Tochter anzuhalten.«
»Du hirnverbrannter Narr!« schimpfte Sir George ein paar Minuten später. »Wovon willst du leben? Du hast doch nichts!«
Die Familien hatten sich getrennt, um die unerhörte Neuigkeit zunächst einmal im privaten Kreis zu erörtern. Lady Hallim und Lizzie waren hinaufgegangen, Sir George, Jay und Alicia hatten sich im Arbeitszimmer des Hausherrn versammelt. Robert war wutentbrannt davongestürmt.
Jay war nicht bereit, das auf sich sitzen zu lassen. Er dachte an den Vorschlag seiner Mutter und sagte: »Ich bin überzeugt, daß ich High Glen besser führen kann als Lady Hallim. Das Gut ist mindestens tausend Morgen groß - es sollte wahrlich genug abwerfen, um uns ein anständiges Auskommen zu bescheren!«
»Dummer Junge! Du bekommst High Glen nicht. Das Gut ist längst verpfändet.«
Die verächtliche Absage, die sein Vater ihm erteilte, verletzte Jay tief. Das Blut stieg ihm in die Wangen.
»Jay kann neue Hypotheken aufnehmen«, warf seine Mutter ein.
Sir George sah sie verblüfft an: »Du stehst wohl auf seiner Seite, wie?«
»Du hast ihm alles abgeschlagen. Er soll sich alles selbst erkämpfen und aufbauen, genauso wie du einst. Nun gut - jetzt kämpft er eben, und sein erster Sieg besteht darin, daß er Lizzie Hallim gewonnen hat. Das kannst du ihm kaum übelnehmen.«
»Hat er sie gewonnen - oder hast du sie ihm besorgt?« erwiderte Sir George boshaft.
»Ich habe sie nicht in die Grube geführt«, gab Alicia zurück.
»Ja, ja, und du hast sie auch nicht in der Halle geküßt…« Sir Georges Ton wirkte plötzlich resigniert. »Schon gut. Er ist jetzt einundzwanzig, und ich fürchte, die beiden lassen sich nicht mehr von ihrem Entschluß abbringen.« Ein verschlagener Zug lag auf seinem Gesicht. »Auf jeden Fall wird die Kohle von High Glen bald im Familienbesitz sein.«
»O nein, das wird sie nicht«, sagte Alicia.
Jay und Sir George starrten sie an. »Was, zum Teufel, soll denn das nun schon wieder heißen?«
»Du wirst doch keine Gruben auf Jays Land errichten, oder? Warum solltest du?«
»Sei doch nicht blöde, Alicia! Unter High Glen liegt ein Vermögen. Das wäre ja geradezu eine Sünde, die Kohle dort liegen zu lassen.«
»Vielleicht zieht Jay es vor, die Schürfrechte anderweitig zu vergeben. Es gibt verschiedene Aktiengesellschaften, die auf jede Gelegenheit zur Errichtung neuer Kohlebergwerke warten. Das hast du selbst gesagt.«
»Ihr werdet euch doch nicht auf Geschäfte mit meinen Konkurrenten einlassen!« rief Sir George aus.
Wie stark Mutter doch war… Jays Bewunderung war grenzenlos. Lizzies Vorbehalte gegen den Bergbau schien sie allerdings vergessen zu haben.
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