Die Brücken Der Freiheit: Roman
»Mutter, denk doch daran, was Lizzie…«
Ein warnender Blick Alicias ließ ihn mitten im Satz verstummen. »Ich kann mir durchaus vorstellen«, sagte sie zu seinem Vater, »daß er sich auf Geschäfte mit deinen Konkurrenten einläßt. Nach den Beleidigungen, die er sich zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag von dir hat anhören müssen, ist er dir nichts mehr schuldig - oder?«
»Ich bin sein Vater, verdammt noch mal!«
»Dann benimm dich endlich entsprechend! Gratuliere ihm zu seiner Verlobung. Heiße seine Braut willkommen wie eine Tochter. Richte ihnen eine schöne, große Hochzeit aus!«
Sir George starrte seine Frau an. »Ist das alles, was du von mir willst?«
»Nein, noch nicht ganz.«
»Das hätte ich mir denken können. Was noch?«
»Sein Hochzeitsgeschenk.«
»Sprich dich aus, Alicia.«
»Barbados.«
Jay wäre vor Freude fast vom Stuhl gefallen. Damit hatte er nicht gerechnet. Wie raffiniert Mutter doch war…
»Kommt überhaupt nicht in Frage!« röhrte Vater.
Mutter erhob sich. »Denk mal darüber nach«, sagte sie, und es klang fast so, als sei ihr seine Entscheidung im Grunde gleichgültig. »Du hast ja immer gesagt, daß der Zucker ein Problem ist - es gibt zwar hohe Profite, aber immer wieder unerwartete Schwierigkeiten: Mal bleibt der Regen aus, mal rafft eine Seuche die Sklaven dahin, dann unterbieten die Franzosen deine Preise, oder ein Schiff aus deiner Flotte geht unter. Kohle ist dagegen ein Kinderspiel. Du gräbst sie aus und verkaufst sie. Das ist so wie ein Sack Geld im eigenen Hinterhof, hast du mir mal erklärt.«
Jay triumphierte innerlich. Es sah ganz so aus, als sollte er doch noch bekommen, was er haben wollte. Doch was war mit Lizzie?
»Barbados ist Robert längst versprochen«, sagte sein Vater.
»Und wenn schon«, erwiderte Alicia. »Er wird die Enttäuschung verwinden. Du hast, weiß Gott, auch Jay oft genug enttäuscht.«
»Die Zuckerpflanzung ist Roberts Erbe!«
Mutter ging zur Tür, und Jay folgte ihr. »Wir haben das alles ja bereits einmal durchexerziert, George«, sagte sie. »Ich kenne deine Antworten, alle. Nur hat sich die Lage inzwischen geändert. Wenn du Jays Kohle willst, mußt du ihm etwas dafür geben. Und er will die Pflanzung. Gibst du sie ihm nicht, bekommst du auch keine Kohle, das ist doch ganz einfach. Und dir bleibt noch genug Zeit, darüber nachzudenken.« Sie verließ das Zimmer.
Jay begleitete sie. In der Halle flüsterte er ihr zu: »Du warst großartig! Aber Lizzie wird nicht zulassen, daß auf High Glen geschürft wird.«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte seine Mutter ungeduldig.
»Das sagt sie heute. Vielleicht ändert sie ihre Meinung noch.«
»Und wenn nicht?«
»Darum kümmern wir uns, wenn es soweit ist.«
Kapitel 1 2
ALS LIZZIE DIE TREPPE HERUNTERKAM, trug sie einen Pelzumhang, der so groß war, daß sie ihn zweimal um sich wickeln konnte. Der untere Saum schleifte über den Boden. Sie brauchte ein wenig frische Luft.
Die Atmosphäre im Schloß war zum Zerreißen gespannt: Robert und Jay haßten einander. Lady Hallim, ihre Mutter, zürnte ihr. Sir George sah rot, sobald Jay ihm unter die Augen kam, und zwischen Alicia und Sir George herrschte ebenfalls Mißstimmung. Das Abendessen war eine grauenhaft verkrampfte Angelegenheit gewesen.
Als sie die Halle durchquerte, trat Robert aus den Schatten. Lizzie blieb stehen und sah ihn an.
»Du Luder«, sagte er.
Das war eine grobe Beleidigung für eine Dame, doch mit Worten war Lizzie nicht so ohne weiteres zu treffen. Außerdem hatte sie Verständnis für seinen Zorn.
»Du solltest nun wie ein Bruder zu mir sein«, sagte sie in versöhnlichem Ton.
Er packte ihren Arm und drückte ihn fest. »Wie kannst du es wagen, diesen windigen Kerl mir vorzuziehen?«
»Ich habe mich in ihn verliebt«, sagte sie. »Und laß jetzt bitte meinen Arm los.«
Robert drückte noch fester zu. Sein Gesicht war dunkelrot vor Wut. »Ich sage dir eines: High Glen bekomme ich auf jeden Fall - selbst wenn ich dich nicht bekomme!« »Keine Chance«, gab Lizzie zurück. »Wenn ich heirate, fällt
High Glen an meinen Ehemann.« »Wart's nur ab!« Er tat ihr weh. »Wenn du meinen Arm jetzt nicht losläßt, schreie ich«, sagte sie in drohendem Ton.
Robert gab sie frei. »Du wirst das dein Lebtag lang bereuen«, sagte er und ging.
Lizzie trat vor das Schloßtor und zog ihren Umhang fester. Die Wolkendecke hatte sich aufgelockert, und der Mond schien. Lizzie hatte keine Mühe, den Weg zu
Weitere Kostenlose Bücher