Die Brücken Der Freiheit: Roman
wieder eingefangen.«
»Der Fall liegt anders«, meinte Sir George. »Lee hat ein heißes Herz, aber kein Hirn. Taugt nicht zum Anführer und wird auch nie einer. Von dem haben wir nichts zu befürchten. McAsh ist ein ganz anderes Kaliber.«
»Ich hab' vor dem keine Angst«, sagte Robert.
»Der Bursche könnte uns gefährlich werden. Er kann lesen und schreiben. Er ist Feuermann, das heißt, die Kumpels respektieren ihn. Und nach alldem, was du mir gerade von der Szene da oben am Schacht erzählt hast, ist er schon jetzt drauf und dran, zum Helden zu werden. Wenn wir ihn zwingen hierzubleiben, macht er uns sein ganzes Leben lang Schwierigkeiten.«
Robert nickte zögernd. »Sieht trotzdem nicht gut aus.«
»Dann sorg doch selber dafür, daß es besser aussieht«, erwiderte sein Vater. »Die Wache bleibt auf der Brücke. McAsh wird dann wahrscheinlich über die Berge fliehen - wir verzichten lediglich auf eine Verfolgung. Ich hab' nichts dagegen, wenn die Leute glauben, er sei entkommen Hauptsache, sie bilden sich nicht ein, er sei im Recht gewesen.«
»Na gut«, sagte Robert.
Lizzie warf Jay einen triumphierenden Blick zu und formte hinter Roberts Rücken mit den Lippen die Worte: »Gut gemacht!«
»Ich muß mir vor dem Essen noch die Hände waschen«, sagte Robert und verschwand im hinteren Teil des Hauses. Seine Laune schien sich nicht sonderlich gebessert zu haben.
Sir George verschwand in seinem Arbeitszimmer. Lizzie fiel Jay um den Hals. »Sie haben es geschafft!« jubelte sie. »Sie haben ihn befreit!« Vor lauter Begeisterung gab sie ihm einen Kuß.
Es war eine geradezu skandalöse Unverfrorenheit. Jay war im ersten Moment schockiert, fand aber rasch wieder zu sich. Er legte Lizzie die Arme um die Taille und zog sie an sich. Dann beugte er sich zu ihr, und sie küßten einander erneut, doch diesmal war es ein anderer Kuß, ein langsamer, sinnlicher, forschender. Jay schloß die Augen, um sich auf seine Empfindungen zu konzentrieren. Er vergaß, daß sie in dem meistfrequentierten Raum des Schlosses standen. Familienmitglieder, Gäste, Nachbarn, Dienstboten - sie alle mußten immer wieder durch die Halle, so daß die beiden von Glück reden konnten, wenn sie nicht gestört wurden. Als sie sich nach einer Weile, um Atem ringend, voneinander lösten, waren sie immer noch allein.
Jay erkannte, nicht ohne Beklommenheit, daß jetzt der richtige Zeitpunkt für den Heiratsantrag gekommen war.
»Lizzie…«Er schaffte es einfach nicht, das Thema anzusprechen.
»Was?«
»Was ich sagen wollte… Du kannst Robert jetzt nicht heiraten.«
»Ich kann alles tun, was ich will«, kam es, wie aus der Pistole geschossen, zurück.
Er sah sofort ein, daß er es verkehrt angepackt hatte. Lizzie durfte man niemals vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen hatte. »Nein, ich wollte doch nicht…«
»Robert küßt ja vielleicht noch besser als du!« sagte sie und grinste schelmisch.
Jay lachte.
Lizzie legte den Kopf auf seine Brust. »Nein, natürlich kann ich ihn jetzt nicht heiraten.«
»Weil…«
Sie sah ihn an. »Weil ich dich heirate, deshalb. Oder irre ich mich?«
Jay wollte seinen Ohren kaum trauen. »Wie? Nein, nein du irrst dich bestimmt nicht.«
»War das die Frage, die du mir stellen wolltest?«
»Um ehrlich zu sein, ja.«
»Nun, dann kennst du jetzt die Antwort. Und nun darfst du mich wieder küssen.«
Etwas benommen neigte er den Kopf. Kaum hatten ihre Lippen einander berührt, öffnete Lizzie den Mund. Schockiert und entzückt zugleich, spürte Jay, wie ihre Zungenspitze sich vorwärtstastete. Er überlegte, wie viele junge Männer sie schon so geküßt hatte, wußte aber auch, daß jetzt nicht die Zeit war, sie danach zu fragen, sondern ging mit seiner Zunge auf das Spiel ein. Er spürte, daß er eine Erektion bekam, und fürchtete, Lizzie könnte es merken. So, wie sie sich an ihn schmiegte, konnte es ihr eigentlich nicht entgehen. Lizzie erstarrte einen Augenblick, als wisse sie nicht, wie sie darauf reagieren sollte - und verblüffte ihn kurz darauf von neuem, indem sie sich heftig an ihn drückte, als sei sie geradezu begierig darauf. Jay war in den Tavernen und Kaffeehäusern von London schon mehrmals Mädchen begegnet, die sich auskannten, die küßten und sich an den Männern rieben, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Aber bei Lizzie war es irgendwie anders; nach seinem Gefühl tat sie es zum erstenmal.
Jay hörte nicht, wie die Tür aufging. Plötzlich brüllte
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