Die Brücken Der Freiheit: Roman
versuchte, das unbeherrschte Zittern zu unterdrücken, das ihren ganzen Körper ergriffen hatte. Beruhigend strich er ihr übers Haar. Nur in Hemd und Hose, ohne das Polster weiter Unterröcke, spürte sie seinen Körper in voller Länge. Er fühlte sich ganz anders an als der ihres Ehemanns. Jay war groß und geschmeidig, Mack klein, kompakt und fest.
Er sah sie an. Seine grünen Augen wirkten wie hypnotisch auf sie. Der Rest seines Gesicht schien seine Konturen zu verlieren.
»Du hast mich gerettet, und ich habe dich gerettet«, sagte er und lächelte dabei ein wenig schief. »Ich bin dein Schutzengel und du der meine.«
Allmählich beruhigte sich Lizzie. Sie mußte wieder an ihr zerrissenes Hemd und ihre bloßen Brüste denken. »Wenn ich ein Engel wäre, läge ich jetzt bestimmt nicht in deinen Armen«, sagte sie und versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien.
Noch einmal blickte Mack ihr in die Augen, noch einmal lächelte er sie so merkwürdig an. Dann nickte er, als stimme er ihr zu, gab sie frei, bückte sich, nahm dem dicken Dieb den Sack mit der Beute aus der schlaffen Hand, zog Lizzies Weste heraus und reichte sie ihr. Sie zog sie an und knöpfte sie ha stig zu, um ihre Nacktheit zu bedecken. Kaum fühlte sie sich wieder sicher, dachte sie sorgenvoll an Jay. »Ich muß meinen Mann finden«, sagte sie zu Mack, als der ihr in den Mantel half. »Hilfst du mir suchen?«
»Natürlich.« Er reichte ihr Perücke und Hut, Geldkatze, Uhr und Taschentuch.
»Wo ist deine rothaarige Freundin?« fragte Lizzie.
»Ich habe sie in Sicherheit gebracht, bevor ich mich um dich kümmerte.«
»Ach ja?« Eine unsinnige Empörung ergriff von Lizzie Besitz. »Schlaft ihr beiden miteinander?« fragte sie unverfroren.
Mack lächelte. »Ja«, sagte er, »seit vorgestern.«
»Seit meinem Hochzeitstag.«
»Ich genieße es in vollen Zügen. Und du?«
Eine bissige Bemerkung lag ihr auf den Lippen, doch dann mußte sie unwillkürlich lachen. »Nochmals vielen Dank dafür, daß du mich gerettet hast«, sagte sie, beugte sich vor und drückte ihm einen Kuß auf die Lippen.«
»Für so einen Kuß würde ich es sofort noch einmal tun.«
Lizzie verzog das Gesicht, grinste etwas verlegen und ging auf die Straße zurück.
Jay stand am Eingang der Gasse und beobachtete sie.
Lizzie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Ob er gesehen hat, daß ich Mack geküßt habe? dachte sie und beantwortete die Frage gleich selbst: Natürlich, er sieht ja aus wie vom Donner gerührt… »Oh, Jay!« rief sie. »Gott sei Dank ist dir nichts passiert!«
»Was ging hier vor?« fragte er.
»Die beiden Kerle da auf dem Boden haben mich überfallen und beraubt.«
»Es war von Anfang an idiotisch, überhaupt hierher zu kommen. Ich hab's doch gewußt.« Er nahm sie am Arm und führte sie auf die Straße zurück.
»McAsh hat sie niedergeschlagen und mich gerettet«, sagte Lizzie.
»Das ist noch lange kein Grund dafür, ihn zu küssen«, erwiderte ihr Mann.
Kapitel 7
AM TAG DER GERICHTSVERHANDLUNG gegen John Wilkes tat Jays Regiment Dienst im Palasthof.
Der Held der Reformpartei war vor Jahren wegen Verleumdung verurteilt worden und hatte sich nach Frankreich abgesetzt. Nach seiner Rückkehr im Februar 1778 warf man ihm sogleich wieder vor, ein Gesetzesbrecher zu sein. Doch während sich das juristische Verfahren gegen ihn hinzog, kandidierte er bei einer Nachwahl im Wahlkreis Middlesex und gewann mit klarer Mehrheit. Seinen Sitz im Parlament hatte er allerdings noch nicht eingenommen, und die Regierung hoffte, ihn durch eine rechtzeitige gerichtliche Verurteilung noch daran hindern zu können.
Jay zügelte sein Pferd und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Er war nervös. Mehrere Hundert »Wilkiten« hatten sich vor Westminster Hall, dem Ort der Gerichtsverhandlung, zusammengerottet. Viele von ihnen trugen zum Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Angeklagten die blaue Kokarde am Hut. Tories wie Jays Vater hätten Wilkes am liebsten ein für allemal zum Schweigen gebracht, aber alle hatten Angst vor den Reaktionen seiner Anhänger.
Jays Regiment sollte im Falle von Unruhen für Ordnung sorgen. Ein kleines Wachbataillon von vierzig Offizieren unter der Führung von Oberst Cranbrough bildete einen dünnen rotweißen Kordon zwischen dem Gerichtsgebäude und dem Mob. Verdammt wenig Leute, dachte Jay. Wir bräuchten viel mehr.
Cranbrough unterstand den Richtern von Westminster, die von Sir John Fielding repräsentiert wurden.
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