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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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er antworten sollte. Da kam er mit einer fürstlichen Gabe und legte sie funkelnd der schwarz gekleideten Fischerwitwe in den Schoß. Und sie wies ihn ab, ohne auch nur ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken.
    Er musste nachdenken. Er schielte erneut zu den Jungen hinüber, die aufrecht auf der Wandbank saßen und ihn und ihre Mutter mit entsetzten Augen ansahen, als hofften sie verzweifelt darauf, dass er jetzt etwas schrecklich Kluges sagen würde. Aber sein Kopf war leer, er war vollkommen überrumpelt.
    Schweigen war in diesem Haus offenbar nichts Ungewöhnliches. Sie hatte ihn endlose Minuten warten lassen.
Jetzt ließ er sie warten, während er nach einer passenden Antwort suchte.
    »Wissen Sie, Frau Eriksen«, begann er langsam, »jetzt ist Sommer, und an den Hängen wird das Heu gemäht. Die Jungs sind bei Ihnen gut aufgehoben. Der Unterricht in der Kathedralschule beginnt erst nach den sogenannten Sommerferien, und die enden mehrere Wochen nach der Heuernte. Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass wir von der Loge Die gute Absicht natürlich Ihre schwere Lage, Frau Eriksen, berücksichtigt haben. Wir haben daher beschlossen, Ihnen eine Witwenpension anzubieten, die gut und gerne die Arbeitskraft der drei aufgeweckten Jungen hier auf dem Hof aufwiegt, wenn wir die Jungen ausbilden dürfen, wie ich es vorgeschlagen habe.«
    Letzteres entsprach nicht der Wahrheit, es war ihm soeben spontan eingefallen. Aber die wohlhabenden Männer in Bergen hatten also zusammengesessen und nicht überblickt, was es für eine Fischerwitwe bedeutete, ihrer Söhne beraubt zu werden. Diese Dummheit oder zumindest Fantasielosigkeit ließ sich nur mit dem diskreten Beschluss einer Witwenpension aus der Welt schaffen.
    Falls ihm irgendein Paragrafenreiter aus dem Vorstand vorwerfen würde, er habe seine Befugnisse überschritten, was tatsächlich zutraf, würde er diese Witwenpension eben aus eigener Tasche zahlen.
    Die schöne Witwe war erneut verstummt und sann über ihre Antwort nach. Ihre drei Söhne saßen kerzengerade da und ließen ihre Mutter keine Sekunde aus den Augen. Es bestand kein Zweifel daran, was sie selbst fanden.
    »Mutter«, sagte plötzlich einer von ihnen, »verzeiht, dass ich ohne Mutters Erlaubnis spreche, aber eines muss
ich sagen. Meine Brüder und ich wünschen uns nichts mehr im Leben als das. Einen größeren Traum könnte man uns nicht erfüllen. Wir versprechen auch, uns immer um dich zu kümmern.«
    Die zwei anderen Jungen nickten eifrig.
    Christian Cambell Andersen wurde erneut von einem starken Gefühl der Unwirklichkeit ergriffen. Der kleine Ingenieur oder Schiffbauer oder Brückenbauer oder was auch immer er werden wollte, hatte seine Sache kurz und bündig in wenigen Sätzen dargelegt wie der isländische Skalde Snorri Sturluson.
    Doch seine Mutter ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Ihr Gesichtsausdruck gab nicht preis, was sie dachte oder wie ihre Antwort ausfallen würde. Dann strahlte sie plötzlich wie die Sonne, die nach einem grauen Tag mit gleißendem Licht über dem Fjord aufgeht.
    »Herr Christian Cambell Andersen«, sagte sie. »Mein Vertrauen in Euren guten Willen ist groß. Auch meine Zuversicht ist groß. Mögen Sie sich gut um meine Söhne kümmern.«
    Auch sie spricht wie aus einer Wikingersaga, dachte er.

    Während eines der schlimmsten Stürme des Herbstes fand sich der Rektor der Bergener Kathedralschule bei der Vorstandssitzung der Loge Die gute Absicht ein, weil er zu Punkt 18 der Tagesordnung etwas sagen sollte. Es ging um die Beurteilung der ersten Unterrichtsmonate der Lauritzen-Jungs.
    Es sei anfänglich schwierig gewesen, sie auf die Klassen
zu verteilen, begann der Rektor. Ihr Wissen variiere sehr stark. Offenbar hätten sie bei dem Pfarrer auf Osterøya Unterricht erhalten, das Übliche also: Rechnen und Schreiben und dann raus auf die See. In manchen Fächern wie deutscher Sprache, Erdkunde und moderner Geschichte lägen sie damit weit hinter ihren Altersgenossen zurück.
    In anderen Fächern sei es genau umgekehrt. Ihre Begabung für Mathematik und Physik müsse als einzigartig bezeichnet werden. Der Jüngste besäße außerdem ein augenfälliges künstlerisches Talent. Summa summarum holten sie rasch den Vorsprung sämtlicher Altersgenossen auf, nicht zuletzt, weil sie mit solchem Eifer und solcher Freude lernten, die den Bürgersöhnen der Stadt leider nur selten zu eigen seien. Daran, dass die drei Lauritzen-Jungs außergewöhnlich begabt seien, bestehe kein

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