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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sprechen und wirkte seltsam verlegen. Oscar bat ihn, auf einem der schweren Balken auf der Verschalung Platz zu nehmen. Unter Schwindel litten sie beide nicht.
    »Jetzt ist die Regenzeit vorbei«, stellte Kadimba fest.
    »Danke für die Auskunft, mein Freund, auch ich habe Augen im Kopf. Warum teilst du mir diese Selbstverständlichkeit
mit? Willst du auf die Jagd gehen? Mir selbst kam gerade diese Idee«, erwiderte Oscar.
    »Gerne, Bwana Oscar, aber nicht heute. Vielleicht morgen. Nein, morgen auch nicht, denn morgen sind wir keine guten Jäger. Übermorgen vielleicht. Das ist der erste Abend nach der Regenzeit.«
    »Ja, Kadimba, darauf hast du bereits hingewiesen. Und?«
    »Königin Mukawanga vom Volk der Barundi hat uns eingeladen«, sagte Kadimba. Es schien ihn in Verlegenheit zu bringen, daran erinnern zu müssen. »Ich will dich gerne begleiten, Bwana Oscar, und Hassan Heinrich ebenfalls. Sie holen uns eine Stunde vor Sonnenuntergang mit dem Boot ab.«
    Genau! Deswegen hatte er auch einen besonders großen Vorrat Glasperlen dabei. Die Barundi waren der letzte Stamm, mit dem sie vor Ende der Strecke noch verhandeln mussten. Mit größeren oder kleineren Mengen Glasperlen und Ballen gewebter Baumwollstoffe hatten sie mit jedem Volk entlang der Bahnstrecke verhandelt und waren sich auf eine höchst zivilisierte und geschäftsmäßige Art und Weise mit allen Völkern außer den Kinandi, die den Krieg vorgezogen hatten, einig geworden.
    Königin Mukawanga hatte, so hieß es, über ein reiches und mächtiges Volk geherrscht, solange der Sklavenhandel noch der Haupterwerbszweig war. Die neue Eisenbahnstrecke folgte im Großen und Ganzen der alten Sklavenhandelsstraße. Um die Sümpfe, die jetzt als letztes größeres Hindernis vor Kigoma vor ihnen lagen, zu überwinden, waren auch die Sklavenhändler abhängig vom Wohlwollen der Barundi gewesen. Offenbar hatten beide Seiten von den Geschäften profitiert, Sklaven gegen Glasperlen, indische
Stoffe oder Waffen. Herrschte gerade Sklavenmangel, nahmen die arabischen Händler auch gerne Elfenbein.
    Aber jetzt, in modernen Zeiten, durfte Oscar ausschließlich mit Glasperlen und Baumwollstoffen handeln. Außerdem oblag es ihm, auf die Segnungen der Eisenbahn hinzuweisen und gegebenenfalls in Aussicht zu stellen, dass inmitten des Sumpfes ein Bahnhof errichtet würde, im angemessenen Abstand zur Hauptstadt der Barundi, falls das die passende Bezeichnung für diesen Ort war.
    »Soll ich Waffen tragen, wenn wir Königin Mukawanga besuchen?«, fragte Oscar.
    »Nein, Bwana Oscar«, antwortete Kadimba im selben sachlichen Ton, in dem Oscar gefragt hatte. »Die Barundi sind Krieger. Wenn sie uns töten wollen, werden wir mit einem Mausergewehr nichts dagegen ausrichten können. Es ist mutiger, ohne Waffen zu ihnen zu kommen. Darf Hassan Heinrich uns begleiten? Ich habe ihm versprochen, dir seine Bitte vorzutragen.«
    »Ja, wenn ihm so sehr daran gelegen ist«, antwortete Oscar zögernd, da er den Unterton der Unterhaltung nicht richtig einordnen konnte. Wenn das alte Kriegervolk so gefährlich war, warum legte dann ein getaufter Hausneger wie Hassan Heinrich so viel Wert darauf, sie zu begleiten? Hausneger war im Übrigen kein gutes Wort, er musste sich ein neues einfallen lassen.
    Dr. Ernst lehnte vehement ab, als hätte man ihn beleidigt, und errötete obendrein, als Oscar ihn beiläufig einlud, sie zu dem Fest der Barundi zu begleiten. Oscar beschlich das vage Gefühl, dass der andere etwas wusste, was ihm selbst verborgen war.
    Eine Stunde vor Sonnenuntergang glitten zwei große
Kanus auf den Brückenpfeiler zu. In dem einen saßen zwölf Männer. Sie waren wie Krieger gekleidet, mit großen Halsringen aus Büffelhaut, die mit Glasperlen verziert waren, mit einem Kopfschmuck aus Fischadlerfedern und Kleidern aus Leopardenfell. Das andere Kanu mit Platz für die Gäste wirkte weniger kriegerisch. Aber auch hier trugen die Männer Assagai, und ihre angespitzten Paddel dienten zweifellos auch als Waffen. Sie paddelten ruhig und zielgerichtet, während sie einen Gesang anstimmten, der mehr an eine Kriegserklärung als an ein Willkommenslied erinnerte. Die Zeremonie am Ufer wurde rasch mittels Verbeugungen und Hand-aufs-Herz-Gesten zum Zeichen friedlicher Absichten absolviert. Wenig später glitten Oscar, Kadimba und ein sichtlich beeindruckter Hassan Heinrich in die Sumpflandschaft, die aus kleinen Inselchen mit vier, fünf Meter hohen Papyrusbüschen bestand und in der sich ein

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