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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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einige Tage getrennte Wege gingen. Johan schätzte es nämlich nicht sonderlich, wenn ihm ständig jemand über die Schulter schaute oder in seinen Augen unnötige Kontrollmessungen durchführte. Johan sah auf einen Blick, ob ein Stein passte oder nicht, und bislang hatte das auch immer funktioniert, von einigen kleinen und kleinlichen Korrekturen Lauritz’ einmal abgesehen, dessen Philosophie lautete, dass man nie vorsichtig genug sein konnte.
    Auf dem Weg nach Finse trug Lauritz nur ein dünnes Hemd unter seinem Anorak. Das war wirklich ein merkwürdiger Herbst. Ohne Skier dauerte es bedeutend länger, aber es lag noch zu wenig Schnee, was ihm ganz recht war, er brauchte auch einmal etwas Zeit für sich. In der Arbeiterbaracke konnte er sich nie so richtig entspannen, in der Gesellschaft der anderen konnte er nicht in Ruhe über ihren letzten Brief nachdenken.
    Die freie Liebe war für sie und ihre von den Frauenrechten besessenen Freundinnen ein Gedanke von zentraler Bedeutung. Die freie Liebe setzte auch in sexuellen Belangen die Gleichheit zwischen Mann und Frau voraus. In ihren Augen war es eine überholte Vorstellung, dass Genuss nur dem Mann vorbehalten und der Liebesakt somit etwas war, was eine Frau über sich ergehen ließ, dem sie sich zu unterwerfen habe. Dabei hatte bereits Martin Luther darauf hingewiesen, dass diese sogenannte viktorianische und in gleichem Maße kaiserliche Anschauungsweise überholt und antihumanistisch sei. Und das bereits im 16. Jahrhundert.
    Soweit es um allgemeine philosophische und politische Fragen ging, falls da überhaupt ein großer Unterschied bestand, konnte er ihr folgen. Aber in Verlegenheit geriet er, wenn sie ihre persönlichen Erfahrungen zur Grundlage ihrer Diskussionen machte. Sie hatte ihre Schlüsse aus den jüngsten Ereignissen gezogen. Wenn ein Mann eine Frau von hinten nahm, war er die Obrigkeit. Wenn eine Frau einen Mann ritt, beherrschte wiederum sie ihn. Die ausschließliche Anwendung einer der beiden Positionen sei folglich unakzeptabel. Die Schlussfolgerung war daher ganz einfach: Gleichheit durch Abwechslung. Sie hatte viel zu diesem Thema gelesen und referierte ausführlich in ihren Briefen darüber, nach Lauritz’ Geschmack ein wenig zu ausführlich.
    Dabei pflichtete er ihr bei, vermutlich im Unterschied zu vielen anderen Männern, dass es keine Themen gab, die ausschließlich von Männern diskutiert werden sollten.
    Solche Themen waren ihm peinlich, über gewisse Dinge sprach er lieber nicht. Man konnte doch die Freuden der Liebe nicht diskutieren wie die Strategie für ein Radrennen.
    Andererseits war ihre intellektuell-neugierige und ständig hinterfragende Art wahrscheinlich mehr als alles andere ein Grund dafür, dass er sich über beide Ohren in sie verliebt hatte. Ingeborg war nicht wie andere Frauen. Sie war die Frau des neuen Jahrhunderts, in gewissem Sinne eine Pionierin, die immer auf moderne Autoren verwies, die er nie gelesen und von denen er in den meisten Fällen nicht einmal gehört hatte.
    Im Gegensatz zu ihrem Scharfsinn schien sein Bruder Oscar Fieberhalluzinationen zum Opfer gefallen zu sein. Er hatte ihm ein Telegramm geschickt mit der Anweisung,
Horneman & Haugen zu kaufen, ein Segelboot zu bauen, und weiteren Hirngespinsten. Das war wirklich sehr betrüblich. Vermutlich die Folge von Malaria oder einer ähnlichen Fiebererkrankung. Es blieb nur zu hoffen, dass er wieder gesundete.
    Lauritz hatte seine finanziellen Probleme erfolgreich verdrängt. Jetzt türmten sie sich wie schwarze Dämonen hinter dem nächsten Berggrat auf. Sosehr er das Problem auch hin und her gewälzt hatte, hatte er keine Lösung gefunden. Sein Dienst bei der Bergenbahn, zu dem er sich moralisch verpflichtet fühlte, nahm ihn noch mindestens zwei Jahre in Anspruch. Daran ließ sich nichts ändern. Das Einzige, was diesen kategorischen Imperativ hätte aufheben können, wäre eine Schwangerschaft Ingeborgs gewesen. Daraus hätte sich ein moralischer Ausnahmezustand ergeben.
    Sollte er im nächsten Sommer wirklich wieder die weite Reise nach Kiel auf sich nehmen, um bei diesem lausigen Skipper, ihrem Vater, mitzusegeln? Ja, das würde er. Die Gründe lagen auf der Hand. Teils das versprochene Diner am ersten Regattatag, bei dem ihm der Baron Ingeborg als Tischdame versprochen hatte, teils die Möglichkeit, dass sie sich zu einem Schäferstündchen davonstehlen konnten.
    Zur Mittagszeit traf er in Finse ein. Daniel und er wollten abends auf dem

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